Totgeschwiegen
… ich hätte mich schon früher melden sollen.”
Es klang nicht gerade sehr hingebungsvoll, eher war da ein Unterton in seiner Stimme, der signalisierte, dass etwas nicht so war wie sonst. “Aber …”, fiel sie ihm ins Wort.
“Bitte, Grace, das ist jetzt nicht leicht für mich.”
In ihrem Magen schien sich etwas zu verknoten. Sie senkte die Stimme, um Kennedy und seine Söhne nicht zu wecken, und fragte: “Was ist denn los, George?”
“Ich … ich habe jemanden kennengelernt”, stieß er hervor.
Grace sog die Luft ein. Sie fühlte sich, als hätte jemand ihr einen Tiefschlag versetzt. Konnte das denn wahr sein? George liebte sie doch. Er hatte sie immer geliebt. Das konnte nur bedeuten, dass etwas anderes passiert war. Sein Glaube an sie war geschwunden. Sie musste ihn davon überzeugen, dass sie bald bereit war, ihm eine Sicherheit geben.
“George, es hat dich einfach nur aus der Bahn geworfen, dass ich für längere Zeit fort bin. Aber ich komme zurück. In ein paar Tagen könnte ich dich besuchen, was hältst du davon?”
Es gab eine Pause. Sie spürte, wie er schwach wurde, und deshalb wurde sie von den folgenden Worten umso mehr getroffen: “Ich kann nicht, Grace. Ich musste schon viel zu lange auf dich warten. Du weißt, dass ich dich sehr mag und dass ich dich immer sehr mögen werde. Aber sogar Petra …”
“Du hast mit deiner Schwester über mich gesprochen?”
“Warum flüsterst du denn?”
“Ich bin mit Freunden auf dem Campingplatz.”
“Was denn für Freunde?”
“Für jemanden, der eine neue Freundin hat, bist du aber ganz schön besitzergreifend, George.”
“Ich frage doch nur, weil du nie von irgendwelchen Freunden in Stillwater erzählt hast.”
“Du kennst sie nicht.”
“Natürlich kenne ich sie nicht. Wer ist es denn?”
“Jemand, mit dem ich zur Schule gegangen bin, okay? Es hat überhaupt nichts zu bedeuten”, sagte sie und wünschte gleichzeitig, dass es wirklich wahr wäre. Leider war ihre Bekanntschaft mit Kennedy inzwischen in vielerlei Hinsicht eine ziemlich große Sache geworden. “Was hat Petra denn gesagt?”, fragte sie.
“Ich weiß, dass es dir schwerfällt, das zu glauben, aber sie hat dich wirklich gern. Sie macht sich nur Sorgen um mich. Sie meint, unsere Beziehung sei zu einseitig.”
“Einseitig soll wohl heißen, ich kümmere mich nicht genug um dich. Aber ich will dich doch heiraten und eine Familie mit dir gründen. Ist das nicht genug?”
“Wenn du mich wirklich heiraten wolltest, hättest du es längst getan.”
Grace vergrub sich in ihrem Schlafsack und versuchte, den Geruch von Kennedys Eau de Cologne zu ignorieren. “Aber das ist so nicht richtig.”
“Doch, ist es. Seien wir mal ehrlich. Du zuckst doch jedes Mal zusammen, wenn ich dich berühre.”
“Nein, tu ich nicht!”
“Glaubst du, ich hätte es nicht bemerkt?”
Grace starrte ins Dunkel. Manchmal hatte sie versucht, Lust vorzutäuschen, obwohl sie sie nicht empfunden hatte. Aber sie hatte es nie
gehasst
, mit George zu schlafen. Dabei war er immer sehr einfühlsam. “Ich zucke
nicht
zusammen.”
“Es macht dir keinen Spaß, mit mir im Bett zu sein.”
“Manchmal stimmt das vielleicht, aber nicht immer.”
“Nicht immer?”
Es gab Momente, wo es ihr ganz normal vorgekommen war. “Ja.”
Er lachte freudlos. “Das nennst du wohl echte Leidenschaft.”
Grace fragte sich, ob er das alles besser verstehen würde, wenn sie ihm die Gründe für ihre Angst vor körperlicher Nähe erklärte. Aber sie fürchtete, dass es jetzt zu spät dafür war. Und wer weiß, ob George das verstehen und annehmen könnte – wahrscheinlich würde er es versuchen, so wie sie ihn kannte. Das, was in der Vergangenheit geschehen war, war ihr Problem, nicht seins. Er konnte ihre Beziehung beenden und sich eine andere Frau suchen, die nicht so belastet war und sich ihm ohne Vorbehalte hingab. Sie konnte wirklich nicht von ihm verlangen, dass er für das bezahlen sollte, was ihr einmal passiert war.
Sie spürte einen Kloß im Hals und konnte kaum sprechen. “Und wer ist diese andere Frau?”
“Willst du das denn wirklich wissen?”
“Vielleicht hilft es mir ja, wenn ich mir die Frau vorstellen kann, die es geschafft hat, dich glücklich zu machen.”
“Sei doch nicht so, Grace. Du machst es mir nur noch schwerer.”
“Wer ist es?”, drängte sie.
“Du kennst doch Heather, meine Sekretärin.”
Sie erinnerte sich an den distanzierten Ton in Heathers Stimme, als sie
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