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Totgeschwiegen

Totgeschwiegen

Titel: Totgeschwiegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Novak
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angerufen hatte. “Du triffst dich mit
Heather?”
    “Nein. Mit ihrer älteren Schwester. Sie kam zufällig im Büro vorbei und … na ja, da ist es dann passiert … Eins kam zum anderen …”
    Grace fühlte sich, als würde etwas Scharfes, Spitzes in ihre Brust gestochen, wieder und immer wieder. Sie umklammerte das Telefon noch fester und versuchte langsam zu atmen, um den Schmerz unter Kontrolle zu bringen. “Hast du mit ihr geschlafen?”
    Er zögerte einen Moment, dann sagte er: “Ja.”
    Um sie herum schien es noch dunkler zu werden. Und heißer. Widerwärtiger. Beängstigender. Genau wie an jenem Abend, als sie dreizehn gewesen war und aufwachte und ihr Stiefvater die Hand über ihren Mund gelegt hatte, damit sie nicht schreien konnte …
    Ich will nicht daran denken!
Aber sie konnte die Tränen nicht aufhalten, die ihr über das Gesicht rannen.
    “Und da … ist mir klar geworden, wie es sich anfühlt, wenn man mit einer Frau zusammen ist, die auch wirklich mit einem zusammen sein will”, sagte er.
    Grace brachte keinen Ton mehr hervor. Sie wusste auch gar nicht, was sie noch sagen sollte. Sie stellte sich vor, wie schön es für George sein musste, begehrt zu werden. Sie konnte es ihm nicht mal übel nehmen. Es war ja alles nur ihre Schuld, nicht seine. Sie konnte ihm einfach nicht das geben, was er brauchte. Sie hatte ihre Sexualität vor Jahren tief in sich begraben. Der Missbrauch durch ihren Stiefvater hatte einfach zu viele und zu tiefe Narben hinterlassen.
    Sie wand sich aus dem Schlafsack und schnappte panisch nach Luft.
    “Grace?”, meldete er sich nach einer Weile.
    Im anderen Zelt raschelte es. Sie hatte Angst, sie könnte Teddy oder Heath wecken. “Was?”, fragte sie kaum hörbar.
    “Alles in Ordnung mit dir?”
    Sie rutschte wieder tiefer in den Schlafsack, in der Hoffnung, allen Schmerz, den sie empfand, irgendwo da drinnen zu vergraben. “Ja, ja”, log sie.
    Schweigen. Dann sagte er: “Es tut mir leid. Ich weiß, dass wir es noch mal versuchen wollten, wenn du zurück bist, aber … Ich will es mit Liza versuchen. Ich glaube nicht, dass sich zwischen dir und mir wirklich noch etwas ändert.”
    “Du musst dich nicht dafür entschuldigen.” Sie musste schlucken. “Ich kann dich gut verstehen.”
    “Ich wollte dir nicht wehtun, Grace.”
    “Ich weiß.” Ihre Nase lief, die Augen tränten, sie unterdrückte ein Schluchzen und fragte mühsam: “Aber wir können doch Freunde bleiben?”
    “Ich glaube nicht”, presste er gequält hervor, aber die drei Worte trafen sie wie eine Axt. “Ich fürchte, wir würden dann wieder in den gleichen Trott verfallen”, sagte er. “Keine andere Frau kann dir das Wasser reichen, Grace. Dich weiter zu treffen, wäre unfair gegenüber der anderen, die mit mir zusammen sein möchte.”
    Grace konnte sich nicht vorstellen, nach Jackson zurückzukehren, wenn es dort keinen George gab, der auf sie wartete. Sie waren jetzt seit dreieinhalb Jahren zusammen. Abgesehen davon, dass er viel öfter mit ihr schlafen wollte als sie mit ihm, war es eine gute Beziehung. Aber er hatte recht. Im Bett klappte es nicht mit ihnen, und wahrscheinlich würde auch nie etwas daraus werden.
    “Du warst sehr lieb zu mir”, sagte sie.
    “Ich liebe dich”, sagte er.
    Einen Augenblick lang spürte Grace Panik in sich aufsteigen. Sie wollte um ihn kämpfen, ihm alles versprechen, um ihn umzustimmen. Aber er verdiente eine Frau, die ihn wirklich lieben konnte, ohne Einschränkung, und die auch die körperlichen Aspekte der Liebe zu schätzen wusste.
    “Ich liebe dich auch”, sagte sie.
    “Grace?”
    Er sagte es so zweifelnd und sehnsüchtig, dass sie kurz glaubte, sie hätte noch eine Chance, aber dann entschied sie, dass nichts mehr zu retten war. “Du hast recht, George”, sagte sie knapp und legte auf.
    Kennedy hatte das Klingeln des Handys gehört, das Flüstern und dann den Reißverschluss von Grace’ Zelt, der aufgezogen worden war. Offenbar ging sie irgendwohin. Sicher zur Toilette. Aber sie hatte ihre Taschenlampe nicht dabei, und außerdem lief sie in die entgegengesetzte Richtung.
    Wollte sie etwa nach der Bibel suchen, die er im Handschuhfach seines Wagens verstaut hatte? Wenn es so wäre, würde er nichts dagegen unternehmen. Aber er glaubte nicht, dass es darum ging. Es hatte sicher mit dem Anruf zu tun. Er hatte deutlich mitbekommen, dass Grace sich aufgeregt hatte.
    Er hörte, wie ihre Schritte sich entfernten. Anscheinend ging sie zum See.
    Ganz

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