Totsein ist Talentsache (German Edition)
Unternehmen. Klara Zehner ist die
Medien. Und sie ist eine Freundin von Sophie. Zumindest ist sie das gewesen,
bis sie vor fünf Jahren die Geschäfte übernommen hat. Nicht, dass die beiden
Frauen gestritten hätten. Klara hat sich nur einfach nie mehr bei Sophie
blicken lassen. „Vielleicht ist das eine Klausel im Einstellungsvertrag“, überlegt
Anna. „Manche Jobs bekommt man nur, wenn man zu rauchen aufhört und ganz nach
oben gelangt man eben erst, wenn man alle Brücken abbricht. War ja bei Papa
nicht anders.“
Klara Zehner beugt sich phlegmatisch zum
Mikrofon und haucht etwas, das wohl „Hallo!“ heißen soll, hinein. Augenblicklich
löst sich eine mollige junge Frau aus der Riege der Adlaten und bugsiert ihre
Chefin mit sanfter Gewalt in einen thronartigen Stuhl neben dem Podium. Dann
tritt sie mit einem breiten Lächeln zum Pult, stellt sich als Eva Hirtl, Zehners
Pressesprecherin und Assistentin, vor und hält eine flammende Rede zur
grandiosen Lage der Mediennation. Eine gefühlte Ewigkeit lang lässt sie Zahlen
und Fakten sowie sehr viel Selbst- und ein bisschen Fremdbeweihräucherung auf
das Publikum niedergehen. Dann bedankt sie sich bei dem hervorragenden Team und
nimmt abschließend ein ausgiebiges Bad im Applaus der Festgäste. Nacheinander
betreten fünf Laudatoren das Podium und verlassen es wieder. Jeder erzählt, wie
toll es ist, zum Erfolg eines so großartigen Unternehmens beitragen zu können.
Klara Zehner sitzt während all dieser Ansprachen neben dem Rednerpult und zuckt
nicht einmal mit der Wimper. Eva Hirtl, die Pressesprecherin, steht hinter ihr
und tätschelt ihr von Zeit zu Zeit begütigend die Schulter.
„Man sollte meinen, dass sie als Chef ein bisschen was zu sagen hat.
Da muss man sich ja fast fragen, wer hier in Wirklichkeit den Laden schupft.“
Das ist definitiv nicht von Jo gekommen. Jos Stimme klingt nicht so. So
männlich. Energisch. Selbstbewusst. Intelligent. Tief. Warm. Elektrisierend.
Atemberaubend. Als Anna die Adjektive ausgehen, blickt sie langsam zur Seite
und sucht die Ursache dafür, dass sie sich wie vom Blitz getroffen fühlt. Und
der schlägt gleich noch mal ein - in Form von 192 Zentimetern Perfektion in
einem Smoking, der zu sagen scheint: „Noch besser sehe ich nur aus, wenn ich
auf dem Boden neben deinem Bett liege, Mädel.“
„Findest du nicht? Wenn man sich das
Spektakel da oben ansieht, hat man den Eindruck, dass der Wagen das Pferd
zieht.“ Anna kann gerade nicht antworten. Sie ist sehr beschäftigt. Die
dunkelbraunen Locken verdienen schließlich genauso viel Aufmerksamkeit wie
dieses Lächeln, das mit den bernsteinfarbenen Augen um die Wette strahlt. Anna
findet auch am Rest der Gestalt überaus Gefallen: aufrecht und stolz, eine Hand
lässig in die Hosentasche gesteckt, die andere locker ein Weinglas haltend.
Langsam lehnt sie ihren Kopf nach hinten, um einen Blick auf den mit Sicherheit
höchst knackigen Hintern zu erhaschen.
„Bernd. Bernd Fechmann.“ Die beiden schütteln einander die Hände
etwas zu lange. Zumindest für Jos Geschmack. Er kennt seine Freundin und ihre
Reaktionen in fast allen Lebenslagen. Und so hat sie noch nie jemanden
angesehen. Nach Überprüfung und Ausschluss aller anderen Möglichkeiten scheint
hier gerade das Unaussprechliche zu geschehen: Anna verliebt sich. Das macht Jo
ein wenig eifersüchtig. Da will ihm doch tatsächlich irgend so ein
dahergelaufener Schönling seine Anna wegnehmen. Jetzt muss gehandelt werden,
und zwar schnell. Tausende Ideen schießen Jo durch den Kopf. Die meisten
verwirft er wieder. Mord ist schließlich nicht einmal in Österreich ein
Kavaliersdelikt.
„Anna, die Zehner verlässt die Bühne! Und da drüben ist diese
Designer-Tussi! Magst du ihr nicht nachlaufen? Vielleicht kriegst du ein
Interview! Vergiss nicht, warum wir hier sind.“ Ohne den Blick von Bernd
abzuwenden, winkt Anna mit ihrer linken Hand. So, als würde sie ein lästiges
Insekt verscheuchen. Sie zuckt zusammen, als Jo mit den Worten „Das find ich
jetzt voll nicht leiwand!“ in der Menge verschwindet.
Wie aus einem Traum gerissen blinzelt Anna: „Wie lange war ich weg?“
Erst jetzt bemerkt sie, dass der Ball wieder in vollem Gange ist. Die
Festbeleuchtung ist längst an, das Orchester schwingt sich in einem furiosen
Crescendo zum Höhepunkt eines Walzers und die Gäste schieben sich im Takt zum
kalten Buffet. Bei Licht betrachtet sieht der Junge vor ihr noch besser aus.
Und er hat trotz ihres
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