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Totsein ist Talentsache (German Edition)

Totsein ist Talentsache (German Edition)

Titel: Totsein ist Talentsache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alkestis Sabbas
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vorübergehenden Systemausfalls nicht die Flucht
ergriffen. Wahrscheinlich, weil sie noch immer seine Hand hält. Verlegen lässt
Anna los und sagt: „Sie. Müssen. Entschuldigen. Ich bin … Muss wohl am Wein
liegen.“ Unauffällig schielt sie an sich hinunter, um zu überprüfen, ob ihr
heftig klopfendes Herz den Rippenbogen bereits durchschlagen und womöglich
einen unhübschen Blutfleck auf ihrem Kleid hinterlassen hat. Hat es nicht. Nur
langsam findet Anna ihre Fassung wieder und stellt erstaunt fest, dass sie im
Begriff ist, sich ein ganz kleines bisschen zu verknallen.
    „Und du bist …“ – „Anna. Gross. Wie unhöflich von mir!“ - „Aber gar
nicht. Ich wollte dir gerade auf die Sprünge helfen. Ich weiß, wer du bist.
Deine Mutter …“
    Die Eiseskälte der Klaue, die sich in
diesem Moment um Annas Herz legt, lenkt nur wenig von der Härte der Faust ab,
die sich in ihre Magengrube bohrt. „Ach, Sie sind einer von denen … Hat sie
Ihnen auch den Smoking bezahlt?“, fragt sie und dreht sich weg. Über die
Schulter hinweg meint sie: „Sie haben Ihre Karten zu früh aufgedeckt. Pech ...
Hätte ein interessantes Spiel werden können.“ Dann rafft Anna ihr Kleid
zusammen und drängt sich mit glühenden Wangen zwischen den Tanzpaaren hindurch
zum Ausgang. Würde sie sich noch einmal umdrehen, könnte sie einen sehr
verwirrten jungen Mann sehen, dessen Lippen die Worte „Was hab ich denn falsch
gemacht?“ formen.
    „Manche Männer sind schon patschert. Und Mama braucht dringend ein
neues Hobby! – Ja, noch eines. Oder besser: eine ganze Flasche. Danke.“ Kopfschüttelnd
geht die Kellnerin davon.
    Anna hat sich auf ein Sofa in einem Winkel der Aula zurückgezogen
und versucht, ihren Ärger wegzuspülen. Sie ist in ihrer Eitelkeit verletzt. Wie
kann dieser Typ sie für so dumm halten? Sie erst anbraten, dann zugeben, dass
er engagiert worden ist und dann auch noch erwarten, dass sie ihn trotzdem mit
offenen Beinen empfängt.
    Mürrisch starrt Anna auf das leere Glas in ihrer Hand. Ein
makelloses Gefäß. Geschaffen, um edlen Weinen den passenden Rahmen zu
verleihen. Und doch grundsätzlich harmlos. Zerbrechlich. Unschuldig. Beim diesem
Gedanken regt sich plötzlich das schlechte Gewissen. Im Nachhinein betrachtet
hat Bernd eigentlich nicht direkt gesagt, dass Sophie ihn geschickt hat. Dafür
hat Anna ihn viel zu schnell unterbrochen. Vielleicht wollte er ihr ja
erzählen, dass er ihrer Mutter vom Einkaufen in ihrer Lieblingsboutique kennt. Oder,
dass die beiden sich hin und wieder eine Trockenhaube beim Frisör ihres
Vertrauens teilen. Oder, dass er sie einfach kennt. Weil Sophie Gross in der
Gesellschaft nun mal keine Unbekannte ist. Dann hätte Anna Bernd mit ihrer
eiskalten Abfuhr unrecht getan. Das wäre allerdings ziemlich peinlich.
    Nachdenklich kaut sie auf ihrer Unterlippe herum, während sie
abwägt, wie wahrscheinlich das ist. Als Anna den ersten dünnen Hautfetzen
zwischen ihren Zähnen spürt, kommt sie zu dem Schluss, dass sie wohl wieder mal
zu impulsiv reagiert hat. Liegt es vielleicht daran, dass sie ein Gläschen zu viel
getrunken und deshalb ihre Reaktionen nicht mehr ganz im Griff hat? Oder hat
die Paranoia endgültig zugeschlagen? Wie auch immer, irgendetwas muss sie jetzt
tun. Schon alleine, um das schlechte Gewissen loszuwerden. Aber was?
Zurückgehen und sich im Rahmen einer kleinen Selbstgeißelung entschuldigen?
Peinlich. Erwarten, dass Bernd das Ganze als Koketterie verstanden hat und
sehnsüchtig auf sie wartet? Unwahrscheinlich. Die Angelegenheit verdrängen und
hoffen, dass man sich nie wieder über den Weg läuft? Gute Idee.
    Anna wischt eine letzte zornige Träne weg, die in ihrem Augenwinkel
geduldig auf optimale Startbedingungen wartet. „Na toll, jetzt seh´ ich auch
noch aus wie ein Waschbär. Umso besser. Dann passt mein Aussehen wenigstens zu
meiner Stimmung“, murmelt sie, als sie die Wimperntusche auf ihrem Handrücken
sieht.
    „Es geht mich ja nichts an, aber kein Mann ist das wert. Und wenn
doch, dann ist das hier sicher nicht der beste Weg, ihn zurückzubekommen.“ Die
Kellnerin überreicht Anna eine Flasche Weißwein und drückt ihr eine
Stoffserviette in die Hand. „Sie haben recht, es geht Sie nichts an. Und ich
will ihn gar nicht zurück.“ Anna sieht der Frau nach, bis sie in der Menge der
Festgäste verschwunden ist: „Wie denn auch? Ich hatte ihn ja noch gar nicht
richtig. Und überhaupt, wie soll ich wissen, ob er es wert ist?“ Sie füllt

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