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Totsein ist Talentsache (German Edition)

Totsein ist Talentsache (German Edition)

Titel: Totsein ist Talentsache (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alkestis Sabbas
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Johann, der im Nebenzimmer Wache hält. Nicht
diese unsäglichen Spritzen, um dich ruhig zu halten. Keine gestohlenen Stunden
zu zweit.“ Sophie streichelt ihrem Mann über die aschfahle Hand – so sacht,
dass sie ihn kaum berührt. Dann schließt sie ihre Augen und lehnt ihre Stirn an
seine. Stille Tränen rinnen ihr über die Wangen und tropfen auf Friedrichs
Gesicht. Endlose Momente sitzen die beiden so auf dem Sofa. Im dunklen Salon,
der von den paar Kerzen nur spärlich beleuchtet wird. Es ist eine gespenstische
Szene. Zwei reglose Gestalten im flackernden Licht langsam sterbender Flammen. Sophies
verhaltenes Atmen wird nur hin und wieder von einem jammernden Schluchzen
unterbrochen. Von Friedrich ist nichts zu hören. Kein geflüstertes Wort des
Trostes. Kein geseufztes Einverständnis. Kein Anflug von Gefühlen.
    Irgendwann erträgt Sophie die Dunkelheit der Stille
nicht mehr. Sie löst sich von ihrem Mann und betrachtet ihn von der Seite.
Friedrich sitzt einfach nur da, die Hände sorgfältig im Schoß arrangiert, die
Füße ordentlich nebeneinander auf dem polierten Parkettboden. Aus starren,
blassblauen Augen blickt er in eine Leere, die nur er sehen kann. Da beginnt
Sophie zu schreien. Allen Schmerz, alle Verzweiflung und Wut brüllt sie aus
sich heraus. Prügelt wie von Sinnen auf die Sofakissen ein. Richtet sich schließlich
auf, um zu einem letzten Schlag auszuholen. Ihre Faust wird auf halbem Weg in
Friedrichs Gesicht abrupt gebremst.
    „Sophie. Nicht. Das wird nichts ändern.“ Die tiefe,
ernste Stimme reißt Sophie aus ihrer Raserei. Sie schließt ihre Augen, atmet
tief ein und flüstert: „Es ist in Ordnung. Ich bin wieder klar. Du kannst mich
loslassen.“ Langsam lockert sich der Griff um ihr Handgelenk.
    „Es tut mir leid. Das Ganze ist doch nicht neu für
mich. Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist. Ich glaube, ich hab diese
Stille und Stumpfheit auf einmal nicht mehr ertragen. Wir sehen uns so selten.
Ich rede mit ihm. Berühre ihn. Küsse ihn. Und er sitzt einfach nur da.“
    Die
Hoffnungslosigkeit in Sophies Gesicht trifft Johann Schmid. Er hat Friedrich
trotz seiner Eigenheiten im Laufe der Jahre zu schätzen gelernt. Und er ist
daran gewöhnt, dass sein Boss nun einmal sehr speziell ist. Johann kann sich
nur ansatzweise vorstellen, was in der Frau vorgeht, die zitternd auf dem Sofa
vor ihm sitzt. Er empfindet Mitgefühl für sie. Aber er darf sich davon nicht
leiten lassen. Sein Auftrag heißt Friedrich, nicht Frau Gross. Dennoch ergreift
Johann ihre Hand und drückt sie unbeholfen. Mit einem dankbaren Lächeln
erwidert Sophie den Druck.
    Friedrich hat sich während der ganzen Zeit nicht ein
einziges Mal gerührt. Weder die Zärtlichkeiten seiner Frau noch ihr Wutausbruch
haben ihm eine Reaktion entlockt. Jetzt kommt Bewegung in den Mann. Langsam
wendet er seinen Blick Sophie und Johann zu.
    Es muss eine interessante Perspektive sein: Seine
Gattin sitzt mit verweinten Augen auf dem Sofa, während sein Assistent vor ihr
kniet und ihre Hand hält. Fehlt nur noch etwas Glitzerndes im Wert eines
Mittelklassewagens und ein gehauchtes „Ja“. Es wäre die perfekte Schlussszene
für einen jener romantischen Schinken im Hauptabendprogramm, in denen
üblicherweise auch noch ein idyllisches Landhaus, viele Schafe und eine tot
geglaubte Tochter wesentliche Rollen spielen. Das ist offenbar sogar für einen
Stoiker wie Friedrich zu viel. Ein grollender Laut dringt aus seiner Kehle und
seine buschigen Augenbrauen ziehen sich zu einem zornigen Balken zusammen.
Blitzschnell fasst er an Johanns Kehle.
    Er drückt nicht besonders fest zu. Loslassen tut er
allerdings auch nicht. Eisern wie eine Klammer umschlingen seine Finger den
mageren Hals, so sehr Johann sich auch bemüht, sie zu lockern.
    „Na toll, das
ist schon das fünfte Mal in drei Monaten. Langsam gehen uns die Ersatzteile
aus“, sagt Johann, fasst an seinen Hals und ergreift Friedrichs Daumen. Sophie
schließt die Augen. Sie will nicht mitbekommen, was jetzt passiert. Leider hält
sie sich nicht schnell genug die Ohren zu. Ein kalter Schauer läuft ihr über
den Rücken, als der Fingerknochen mit einem grausigen Knacken bricht.
Erleichtert befreit sich Johann aus dem Würgegriff. Während Sophie versucht,
sich nicht in Friedrichs Schoß zu übergeben, nimmt der den Eingriff in seine
Knochenstruktur weitgehend kommentarlos hin. Er schaut nur ein wenig verwundert
auf seinem Daumen, der eindeutig in die falsche Richtung zeigt, und

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