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Totsein verjaehrt nicht

Titel: Totsein verjaehrt nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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gesagt, ich bin mitten in der Arbeit, und hab ihn gefragt, was passiert ist. Nichts, hat er gesagt. Das war ganz klar gelogen. Er hat gesagt, ich soll ihm irgendwas raten. Was raten. Was denn raten?, frag ich ihn. Er hat mir nicht gesagt, was los ist. Ich bin mit dem Telefon extra vor die Tür gegangen, auf die Reichenbachstraße raus, da rumpelte grad ein Müllwagen rum, da wars laut, genau wie beim Dennis. Also bin ich ein Stück die Straße runtergegangen, obwohl ich drin eine Kundin sitzen hatte. Ich wollt, dass der Dennis endlich sagt, was los ist. Hat er nicht. Wieso denn nicht? Wieso ruft er erst an und stört mich bei der Arbeit? Das ist mir unangenehm, so was. Ich war fast sauer auf ihn.«
    »Haben Sie ihn später, nach der Arbeit, zurückgerufen?«
    »Hab ich nicht. Wollt ich nicht. Ich wollt schon, aber ich habs dann vergessen. Was wollt der denn von mir? Können Sie mir das sagen? Hat er Ihnen gesagt, warum er mich angerufen hat?«
    »Nein«, sagte Feldkirch. »Bleiben Sie bitte hier sitzen, ich möchte Ihnen etwas zeigen.« Er stand auf und verließ den Raum. Olivia Richter schaute ihm verwirrt hinterher.
    Wortlos reichte Fischer ihm eine der Mappen. Zu fünft standen sie nebeneinander und betrachteten durch die Scheibe die Frau im grünen Mantel. Nach vorn gebeugt saß sie da, die Hände flach auf dem Tisch, beschwert von Ahnungen.
    In ihr erkannte Fischer eines jener Zimmerwesen wieder, denen er schon so oft begegnet war. Menschen, die von einem frühen Zeitpunkt an ihr Leben in der Nähe einer Tür verbrachten, mit drängendem Blick und klammem Herzen, beseelt von einer Erwartung, die sie nicht beschreiben konnten und die sie doch in ihrem Innern feierten wie einen täglichen Geburtstag. Vor lauter innerlichem Feiern vergaßen sie, die Kerzen auszublasen und den Kuchen zu essen. So vertrockneten und zerbröselten ihre Wünsche und Gedanken, und wenn sie es bemerkten, waren sie alt geworden. Vielleicht nicht alt an Jahren, aber ihr Übermut war gealtert wie ein Hund, und er folgte ihnen nicht mehr, er lag nur da, auf der Schwelle, und jeder Morgen flößte ihm mehr Angst ein, jedes Frühjahr machte ihn müder, jeder Winter kälter. Täglich von Neuem klammerten sich die Zimmerlinge an ihren Tisch, und wenn jemand hereinkam, schauten sie auf, und ein runzeliges Staunen erschien auf ihrem Gesicht.
    »Was ist das?«, fragte Olivia Richter.
    Feldkirch hatte sich schräg hinter sie gestellt und wartete auf eine Reaktion. Er hatte zwei Fotos auf den Tisch gelegt und die Aktenmappe wieder zugeklappt.
    »Onkel Claus«, sagte sie so leise, dass ihre Stimme kaum zu verstehen war. Doch anders als ihr Bruder verstellte sie sich nicht. »Wo haben Sie die Bilder gemacht? Was ist das für ein Fleck da?«
    »Das ist Blut«, sagte Feldkirch. Er hatte zwei Schwarzweißaufnahmen ausgewählt. »So haben wir Ihren Onkel gefunden, neben seinem Taxi.«
    »Mein Gott. Wo war das denn?«
    »Wissen Sie das nicht?«
    »Nein. Ich weiß nicht … ich weiß es nicht mehr, Entschuldigung …«
    »In der Nähe der Donnersberger Brücke«, sagte Feldkirch.»Bitte sehen Sie sich die Fotos genau an. Lassen Sie sich Zeit.«
    »Warum denn? Das ist Onkel Claus, ich war auf der Beerdigung, Dennis auch, unsere Eltern auch, die ganze Familie. Auf dem Waldfriedhof. Ich mag da nicht hinschauen.« Sie schob die Fotos von sich weg und drehte den Kopf. »Was ist denn? Hab ich was Falsches gesagt?«
    »Nein, Sie waren sehr hilfsbereit. Ich zeige Ihnen die Fotos, weil ich möchte, dass Sie sich noch besser erinnern.«
    »Wie denn? Was ist denn los?« Sie warf einen hastigen, ängstlichen Blick auf die Fotos. »Sagen Sie mir jetzt, warum ich mir diese grausligen Bilder anschauen muss, wollen Sie mich quälen? Warum setzen Sie sich nicht wieder hin? Mir wirds schwindlig, wenn ich den Onkel Claus da liegen seh.«
    Feldkirch ging um den Tisch herum, setzte sich, zog die Mappe und die Fotos zu sich her und hielt still. Olivia verfolgte jede seiner Handbewegungen. »Ich glaube, Dennis wollte Ihnen etwas sehr Wichtiges sagen, nämlich, dass er an einem Verbrechen beteiligt war und nicht weiß, wie er damit fertig werden soll. Ich glaube, dass Ihr Bruder weiß, wer Ihren Onkel erstochen und eine Taxifahrerin misshandelt hat. Ihr Bruder wollte, dass Sie ihm in seiner Not beistehen, er war nur nicht mutig genug, Ihnen die Wahrheit zu sagen. Und ich glaube auch, dass Ihnen, wenn Sie sich sehr bemühen, ein Name einfällt. Oder Sie erinnern sich an das Aussehen

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