Totsein verjaehrt nicht
Mit einem listigen Flackern in den Augen hielt sie ihm das Feuerzeug hin. Ihr Mund war so spitz, dass es aussah, als würde sie die Zigarette küssen.
»Gib mir vierhundert, dann kriegst du beides.«
»Ich gebe dir dreihundert für die Auskunft.«
»Ich bin nicht bestechlich.«
»Das bist du schon«, sagte Fischer. »Und ich bin der Bestecher.«
»Du bist ein Stecher, der sich nicht traut.«
»Ich habe dich vor allen Leuten geküsst«, sagte Fischer, und es kam ihm vor, als spräche er einen fremden Text, wie die Schülerin Silke im Keller des schwarzhaarigen Handyregisseurs.
»Das ist ja wohl was anderes. Zwischen küssen und stechen ist ein großer Unterschied. Wie alt bist du?«
»Erzähl mir von dem Scheißtag.«
Sie lächelte und rauchte und lächelte. »Die Bullen mussten wieder abziehen. Keine Beweise. Dann bin ich ins Theater, weil da eine Vormittagsvorstellung für Kinder war. Und sie haben mir mitgeteilt, dass ich nächsten Monat meinen Job verlier. Ich hab denen gesagt, ich bin vierzehn Jahre dabei … Da macht man sich nur lächerlich, wenn man so was sagt. Hab ich denen erklärt, dass ich heut Abend nicht kommen werd, weil ich mich betrinken muss. Hab ich dann auch getan. Erst bin ich nach Hause und hab mir die Augen ausgeheult, dann hatt ich noch Besuch. Am Nachmittag bin ich ins Akropolis. Da war nicht viel los. Der Hannes war da, der Kare, der Willi und ich. Und am nächsten Tag hats dann gewimmelt von Bullen. Die wollten alle den Jockel sprechen und ihn ausquetschen, da ging das schon los. Gleich am nächsten Tag fing die Hatz auf den armen Kerl an. Wir waren natürlich alle da, der Willi, der Kare, der Hannes, die ganze Mannschaft. Die Bullen wollten, dass wir was Negatives über den Jockel sagen. Dass er sich immer vor andern ausgezogen hat, dass er die Kinder belästigt und angeblich sogar ein Mädchen vergewaltigt hat. So Zeug. Sind die beiuns nicht weit gekommen. Schweine waren das. Und dass der Jockel am Ende der Schuldige war, das hätt ich dir gleich sagen können.«
»War Hardy Krumbholz an jenem Montag bei dir?«, sagte Fischer. »Hattest du mittags oder am frühen Nachmittag Besuch von ihm?«
Sie trank und strich sich hastig über den Mund. »Er wollt eigentlich kommen, das hat er mir am Sonntag gesagt. Er wollt kommen, aber dann ist er nicht gekommen. Weiß nicht, wieso, wir haben nie mehr drüber gesprochen. Und er ist dann auch nie mehr bei mir gewesen, nach der ganzen Geschichte mit seinem Sohn. War schon schad. Manchmal sind wir aufs Land rausgefahren, nicht weit, halbe Stunde hin, halbe Stunde zurück, dazwischen Liebe in der freien Natur. Ich könnt mit dir mal da hinfahren, das ist lauschig da, keine Spaziergänger, wir sind ganz unter uns. So was macht Spaß und ist gesund.«
»Wo ist dieser lauschige Ort, Mimi?«
»Verrat ich dir nicht. Aber ich fahr mit dir hin, wenn du willst.«
»Wo seid ihr hingefahren, der Hardy und du?«
Ihr Bein machte sich wieder an die Arbeit.
»Bist du auch mit anderen Männern hingefahren?«, sagte Fischer.
»Manchmal.«
»Mit Männern aus Ramersdorf.«
»Vielleicht.«
»Mit Freunden von der Michaela Peters auch?«
Sie streckte den Kopf vor. »Küss mich noch mal.«
»Wollt ihr noch was?« Unbemerkt war Krumbholz aus der Nebelwand aufgetaucht.
»Spendierst du mir noch ein Glaserl?« Mimi gab sich keine Mühe, ihre Beinakrobatik zu verbergen.
»Ja.«
»Und einen Grappa, bitte.«
»Und einen Grappa«, sagte Fischer.
Krumbholz ging zum Tresen zurück.
Bevor ihr Hals starr wurde, küsste Fischer Mimi ein zweites Mal auf die Wange, und als er sich zurücklehnte, schloss sie die Augen und leckte sich die Lippen.
Dann gab sie sich einen Ruck und streckte den Rücken.
»In der Zeit damals hab ich keinen Besuch gehabt. Ganz Ramersdorf war voll von Polizei und Reportern, wochenlang. Schrecklich war das.«
»Ihr hattet fest vereinbart, dass Hardy am Montag zu dir kommt.«
»Ja, wie immer. Wie öfter. Ich hab mit ihm gerechnet.«
»Er ist doch dann später ins Akropolis gekommen. Hast du ihn nicht gefragt, wieso er dich versetzt hat.«
»Doch, glaub schon. Er hat gesagt, er muss was erledigen. Er war schlecht drauf. Außerdem war die Luisa immer in der Nähe. Das war einfach ein Scheißtag, und am Ende war auch noch die Scarlett verschwunden, und der Jockel war der Mörder.«
»Kennst du den Hanno Rost?«
»Wer soll das sein?«
»Ein Freund von Scarletts Mutter.«
»Kenn ich nicht. Hanno? Nein.«
»Und Robert Borkham?«,
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