Touchdown fürs Glück (German Edition)
Kleine gestorben ist ...“
„Dad“, sie schluckte, „du warst doch auf seiner Beerdigung dabei.“
„Ja, aber ich hätte anschließend nicht sofort nach Südamerika fliegen sollen, sondern mich mehr mit dir beschäftigen müssen“, gab er zu. „Es war eine schlimme Zeit für dich. Ich hätte mehr Verständnis zeigen sollen.“
Liv sagte nichts dazu. Dumpf fragte sie sich, ob er sich überhaupt an Sammys Namen erinnerte, weil er ihn lediglich den Kleinen nannte. Seinen Enkelsohn hatte er nur zweimal gesehen. Beim ersten Mal hatte er sie für einen Tag besucht, als Sammy bereits ein halbes Jahr alt gewesen war. Bei dieser Gelegenheit hatte er auch endlich seinen Schwiegersohn kennengelernt, obwohl Julian und Liv bereits ein Jahr verheiratet gewesen waren. Beim zweiten Mal hatte er einen halben Tag Aufenthalt in Seattle gehabt, bevor er weiter nach Europa fliegen wollte. Also hatten Julian und Liv den anderthalbjährigen Sammy ins Auto gepackt und waren fünf Stunden lang von Pullman nach Seattle gefahren, um Charles dort zu treffen.
„Du musst dir wirklich keine Sorgen um mich machen. Mir geht es gut.“
„Das freut mich.“
Liv leckte sich über die Lippen, „Julian geht es ebenfalls gut. Ab und zu reden wir miteinander.“
„Dann bestelle ihm doch bitte schöne Grüße von ihm.“
„Das mache ich.“
Da ihr Vater gefühlstechnischen Konfrontationen gerne aus dem Weg ging, wechselte er schnell das Thema und sprach über seinen abendlichen Geschäftstermin. Liv hörte ihm zu, schluckte die aufkeimende Enttäuschung hinunter und erinnerte sich an die Gespräche mit Dr. Wiggs, die ihr geholfen hatten, die verkorkste Beziehung zu ihrem Vater zu verarbeiten. Sie hatte eingesehen, dass sie niemals eine gesunde und normale Beziehung zu ihrem Vater führen würde. Dass er jedoch wenig Zuneigung für sie oder Interesse an ihrem Leben zeigte, war nicht ihre Schuld. Kein Zauber dieser Welt würde aus ihm plötzlich einen Vatertypen machen, der seiner Tochter mehr als ein höfliches Benehmen und zurückhaltende Umarmungen bieten könnte. Liv musste ihn nehmen, wie er war. Die Tatsache, dass er sich Gedanken um ihre Trauer und ihren Verlust gemacht hatte, versöhnte sie und ließ ihn in einem etwas anderen Licht sehen. Vielleicht war er kein perfekter Vater, vielleicht hatte er sich in den vergangenen dreißig Jahren zu wenig Mühe um sie gemacht, aber ganz egal konnte sie ihm nicht sein, wenn ihre Situation ihm Sorgen berei tet hatte. Damit konnte sie gut leben.
Nach dem Essen beglich ihr Vater die Rechnung, versprach sich zu melden, sobald er nach Katar gezogen war, und verabschiedete sich mit einer ungelenken Umarmung von ihr .
Wie immer war Liv sogar erleichtert, das wunderschöne St. Regis verlassen zu können, und atmete vor dem Eingang erst einmal tief durch. Das hektische Treiben Manhattans machte ihr wenig aus. Anstatt in nachdenkliche Stimmung zu fallen, schloss sie den leichten Mantel über ihrem grauen Strickleid und erinnerte sich wegen des Fröstelns daran, dass sie sich eine neue Laufhose für den kommenden Winter besorgen wollte. Es wurde immer kälter, was den samstäglichen Lauftreff jedoch nicht davon abhielt , stattzufinden. Liv wollte sich ein wenig mit Shopping ablenken und steuerte Niketown an. Das riesige Sportgeschäft ihrer Lieblingssportmarke war nur zwei Straßen entfernt und bot alles an, was ein Läuferherz begehrte.
Bereits am Eingang rätselte Liv darüber nach, weshalb es ungewöhnlich voll war, obwohl es ein ganz normaler Wochentag war. Vielleicht waren sportbegeisterte Touristen über New York hergefallen, überlegte sie amüsiert und fuhr mit der Rolltreppe in die erste Etage, wo sie sich endlos viel Zeit ließ, unzählige Laufhosen, Laufjacken und Laufschuhe anzuprobieren. Am Ende entschied sie sich für lange schwarze Lauftights, die etwas dicker waren, Nässe absorbieren konnten und mit Reflektoren an den Nähten versehen waren. Passend dazu wählte sie zw ei warm e Laufoberteile aus, eines in Orange und das andere in Weiß mit grünen Abnähern, sowi e ein neues Paar Laufschuhe, das ein kleines Vermögen kos tete . Ein Blick auf ihre Armbanduhr sagte Liv, dass sie lediglich anderthalb Stunden mit der Wahl der richtigen Laufbekleidung verplempert hatte. Sie schnitt eine Grimasse und stellte sich brav an der Kasse an.
Gerade als sie ihre Kreditkarte zückte und der hektischen Kassiererin gab, die die Diebstahlsicherungen entfernte und die Preisschilder einscannte,
Weitere Kostenlose Bücher