Touchdown
Überblick über den Trainingsplan, dann waren die Reden vorbei. Unter lauten Selbstanfeuerungsrufen stürmten sie aus der Umkleidekabine auf den Trainingsplatz, wo sie nach einem annähernd geordneten Muster ausschwärmten und mit dem Stretchingprogramm begannen. An diesem Punkt übernahm ein stiernackiger Herr mit kahl rasiertem Schädel und hervortretenden Bizepsmuskeln das Kommando. Das war Alex Olivetto, ein früherer Spieler, jetzt Assistenzcoach - und ein echter Italiener. Er schritt vor den Spielern auf und ab und bellte Befehle wie ein wütender Feldmarschall. Es gab keine Widerrede, alle fügten sich.
»Er ist ein Psychopath«, sagte Sly, als Alex gerade weit weg war.
Rick stand am Ende einer Reihe, neben Sly und hinter Trey, und orientierte sich bei den verschiedenen Übungen an seinen Mannschaftskameraden. Alex scheuchte sie zu nächst durch das Grundprogramm - Hampelmänner, Liegestütze, Situps, Hüpfsprünge -, dann folgte eine zermürbende Runde Auf-der-Stelle-Laufen mit gelegentlichem Auf-die-Erde-fallen-Lassen und Wieder-Aufstehen. Nach fünfzehn Minuten keuchte Rick schwer und versuchte, nicht mehr an das Essen vom Abend zuvor zu denken. Er warf einen Blick nach links und bemerkte, dass auch Nino schon ganz gut ins Schwitzen gekommen war.
Nach dreißig Minuten war Rick sehr versucht, seinen Coach beiseite zunehmen und ihm ein paar Dinge zu erklären. Er war hier der Quarterback, nicht wahr, und Quarterbacks mussten sich, auf professioneller Ebene, nicht denselben Übungen und Trainingslager-Banalitäten unterwerfen wie die anderen Spieler. Aber Sam war weit weg, am anderen Ende des Platzes. Dann wurde Rick auch bewusst, dass er beobachtet wurde. Je weiter das Aufwärmprogramm fortschritt, desto öfter spürte er die Blicke seiner Kollegen auf sich, die sehen wollten, ob ein echter Profi-Quarterback die Strapazen mit ihnen durchstehen würde. War er ein Mitglied des Teams oder eine Primadonna, die hier nur eine Stippvisite machte?
Rick verschärfte ein bisschen die Gangart, um Eindruck zu schinden.
Für gewöhnlich werden Steigerungsläufe ans Ende des Trainings gelegt, aber nicht bei Alex. Nach fünfundvierzig Minuten anstrengender Übungen versammelten sie sich an der Goalline und sprinteten in Sechsergruppen vierzig Yards Richtung Platzmitte, wo Alex sie mit seiner sehr aktiven Pfeife und einer saftigen Beleidigung für den jeweils Langsamsten erwartete. Rick rannte mit den Runningbacks. Sly lief ihnen locker davon, und Franco donnerte locker als Letzter ins Ziel. Rick war in der Mitte, und beim Sprinten dachte er an die glorreichen Zeiten in Davenport South zurück, als er machen konnte, was er wollte, und fast so viele Touchdowns mit den Füßen erzielte wie mit dem Arm. Im College wurde die Lauferei beträchtlich eingeschränkt, er war schlicht und einfach kein Running Quarterback. Und bei den Profis war das Laufen praktisch verboten; es bedeutete ja höchstens die Chance, sich ein Bein brechen zu lassen. Die Italiener schnatterten aufeinander ein, feuerten sich an, während sich die Sprints hinzogen. Nach fünf Durchgängen keuchten sie, aber Alex fing gerade erst an. »Kannst du kotzen?«, fragte Sly schwer atmend.
»Warum?«
»Weil er uns laufen lässt, bis jemand kotzt.«
»Tu dir keinen Zwang an.«
»Ich wünschte, ich könnte.«
Nach zehn Vierzig-Meter-Läufen fragte sich Rick, was genau er sich eigentlich von Parma erwartet hatte. Seine Oberschenkelmuskeln brannten, seine Waden schmerzten, er japste und ächzte und war schweißgebadet, obwohl die Luft gar nicht sonderlich warm war. Er würde sich mit Sam unterhalten und einiges klarstellen müssen. Das hier war kein High-School-Football. Er war Profi!
Nino stürzte zur Seitenlinie, riss den Helm ab und erleichterte sich. Das ganze Team feuerte ihn an, und Alex blies dreimal schrill in die Pfeife. Nach einer Trinkpause trat Sam nach vorn und gab Anweisungen. Er selbst würde mit den Backs und den Receivern arbeiten. Nino übernahm die Offensive Linemen. Alex hatte die Linebacker und die Defensive Linemen. Trey war für die Secondary, die zweite Verteidigungsreihe, zuständig. Die Gruppen verteilten sich über den Platz.
»Das ist Fabrizio.« Sam machte Rick mit dem ziemlich dünnen Receiver bekannt. »Unser vorderster Mann, tolle Fanghände.« Sie nickten einander zu. Sensibel, übernervös, ein Gottesgeschenk für den italienischen Football. Sam hatte Rick vorab über Fabrizio ins Bild gesetzt und vorgeschlagen, dass er es
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