Touched
gehst du …?«
Ich verstummte, als ich ihr Zittern spürte. Ich blickte mich um und sah, dass meine Albträume wieder zum Leben erwacht waren.
Dean saß an unserem Küchentisch – in der Hand einen Revolver.
28
»Hereinspaziert, meine Damen!«, meinte er in dem leutseligen Ton, den er immer einsetzte, wenn er etwas wollte. Er wippte mit dem Stuhl und hielt ihn nach hinten gekippt. Sein schmutziges Gesicht und die fettigen blonden Haare hatten schon lange kein Wasser mehr gesehen, und sein Flanellhemd und seine Jeans waren so verdreckt, als wäre er damit bereits längere Zeit umhergestreift.
Lucy hatte keine Ahnung, wie mein Stiefvater aussah, aber sie erkannte, dass der Fremde vor ihr gefährlich war, und umklammerte schreckensstarr die Tüte mit der Eiscreme.
Deans Lächeln wurde fieser, sein Griff um die Waffe fester. Er deutete mit einem laschen Winken des Revolvers auf Lucy, und mein Herz drohte auszusetzen. »Warum werft ihr zwei Hübschen mir nicht mal eure Handys her?«
Wir ließen sie über den Boden gleiten, und er steckte sie ein.
»Was willst du hier, Dean? Wir haben kein Geld. Zumindest nicht genug, als dass es eine Rolle spielt, wenn die Polizei erst mal rausgefunden hast, wo du steckst. Du musst die Alarmanlage ausgelöst haben, und ich würde sagen,du hast gegen die einstweilige Verfügung verstoßen, die wir gegen dich erwirkt haben.«
Er lachte. »Du hast was vergessen, Prinzessin. Ich habe meinen Lebensunterhalt mal mit dem Einbau von Alarmanlagen verdient. Auf die Polizei kannst du lange warten.«
Das hatte ich wirklich vergessen. Dabei hatte ich seinerzeit schon vermutet, dass er diesen Umstand nutzte und in diese Häuser einbrach, aber man hatte ihn gefeuert, bevor er dabei erwischt worden war.
»Im Übrigen«, fuhr er fort, »bin ich nicht wegen Geld hier.«
»Rache«, sagte ich mit absoluter Gewissheit.
Die Stuhlbeine knallten auf den Boden, Dean ließ seine freundliche Maske fallen und zeigte sein wahres Gesicht. »Oh ja, Rache«, schnaubte er. »Sechs Stunden in einer Gefängniszelle mit einer ausgerenkten Schulter. Deinetwegen. Deinetwegen habe ich alles verloren, du Miststück. Möchtest du wissen, wie ich das durchgehalten habe? Ich habe mir vorgestellt, wie ich die Finger um deinen Hals lege und zudrücke!«
Er schloss die Augen, als wäre er in Erinnerungen vertieft, und seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Lucy fing zu weinen an, und er fuhr fort: »Scht … diesen Teil habe ich am liebsten, wenn ich in deine hübschen blauen Augen schaue, Prinzessin, und dir aufgeht, dass du sterben wirst.«
Lucy wimmerte, und ich erwog, ihn umgehend umzulegen. Es wäre so einfach, ihm das Genick zu brechen. Nur dass er den Revolver hatte, und auf meine neuen Fähigkeiten noch nicht unbedingt Verlass war. Ich hatte nur einen Versuch, ihn außer Gefecht zu setzen, und wenn der misslang, würde ich Lucy in meinem geschwächten Zustand nicht mehr schützen können. Im Geiste hörte ich Asher rufen, ich solle klug sein und den richtigen Augenblick abwarten. Als ich mich ein Stück von Lucy entfernte, um seine Aufmerksamkeit in zweiverschiedene Richtungen zu lenken, riss Dean die Augen auf und verengte sie dann zu gefährlichen Schlitzen. Die Wut in seiner Stimme glich einer reißenden Flut, die mich in einem Ozean aus Angst untertauchte.
»Natürlich würde das niemals funktionieren. Du würdest die Schmerzen einfach auf mich umlenken und dich davon befreien. Doch dann kam’s mir.« Er tippte sich an den Kopf, als sei ihm ein Licht aufgegangen. »Für deine Talente würden andere einen Haufen Geld hinlegen!«
»Remy, wovon spricht er?« Lucys Stimme bebte.
»Weiß der Himmel!« Mir war so verzweifelt daran gelegen gewesen, dass meine Familie die Wahrheit nicht erfuhr. Dass Dean nun meine Geheimnisse ausplauderte, brachte mich um. Alles, was ich getan hatte, alle Lügen, die ich ihnen aufgetischt hatte, hatten Lucy nicht vor Schaden bewahren können.
Dean grinste. »Dass du ein Mutant bist, hast du ihnen wohl gar nicht erzählt?« Er wandte sich an Lucy. »Deine Schwester hier kann wirklich was Besonderes. Zum Beispiel gebrochene Knochen mithilfe ihrer Gedanken heilen. Oder gesunde brechen.«
Ich kümmerte mich nicht um Lucys Verwirrung und starrte Dean hasserfüllt an. »Wieso probieren wir diese Theorie nicht an dir aus, Dean?«
Er pfiff durch die Zähne. »Na, da schlägt sich eine ja mal wieder tapfer …«
«Wieso kommst du nicht zur Sache?«, fragte ich
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