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Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Titel: Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Strickjacke aus, kämmte mir die Haare und ging nach nebenan.
    1:00
    Was für ein Langweiler! Wie kann jemand geschlagene vier Stunden über sich selbst reden? Schuld sind meines Erachtens die Frauen. Jedes Mal, wenn er den Eindruck machte, als fiele ihm nichts mehr ein, was er über sich erzählen könnte, stellte ihm entweder Daisy oder meine Mutter eine Frage über sein ach so faszinierendes Leben, und er legte wieder los. Bla, bla, bla.
    Dass seine Toilette in Tokio ihm automatisch den Hintern wäscht und trocknet, was für einen großartigen Blick er aus seiner New Yorker Wohnung auf den Central Park hat, wie gern er von seiner Terrasse direkt an der Themse die Boote auf dem Fluss beobachtet.
    Er scheint jeden Koch von ganz London zu kennen, spricht ständig von Gordon, Marco und Jamie. Und laut eigener Aussage steht sein Name auf Tracy Emins Liebhaber-Zelt-Installation.
    Er hat die weißesten Zähne, die ich jemals gesehen habe, abnorm weiß. Damit könnte man unsere dunkle Wiese beleuchten. Er sieht wohl auf herkömmliche Weise gut aus, auf eine nichtssagende George-Clooney-Art. Außerdem hat er uns erzählt, dass sein Freizeitanzug aus dem Unterfell am Bauch einer seltenen »Nobel«-Ziegenart gemacht ist, die auf der Nordseite eines tibetischen Berges lebt.
    Ich fragte meinen Halbbruder, warum er sich, obwohl er doch die neuesten Kommunikationsgeräte besitzt, seit über zwei Jahren nicht gemeldet habe? Wisse er denn nicht, dass unser Vater sich schmerzlich vernachlässigt gefühlt habe? Daraufhin wurde Brett ein wenig rührselig und warf meinem Vater … seinem Vater … unserem Vater vor, ihn zu vernachlässigen. Meine Mutter verteidigte meinen Vater mit den Worten: »Nein, Brett, George war immer gerecht. Er hat all seine Kinder gleich vernachlässigt.«
    Ich merkte, dass die Stimmung leicht hätte kippen können, also lenkte ich das Gespräch fort von den Klippen unserer Familiendynamik in den sicheren Hafen der Immobilienpreise.
    Brett erzählte uns, dass alle drei Immobilien, die er besitzt, sich im Wert verdoppelt hätten.
    Ich fragte: »Hast du keine Angst vor den Lehren der Geschichte, wie zum Beispiel der Südseeblase?«
    »Nein«, gab Brett zurück. Er beugte sich vor und widmete mir seine volle Aufmerksamkeit. »Erzähl mir davon.«
    Irgendetwas an seinem durchdringenden Blick verscheuch te sämtliche Einzelheiten der Südseeblasenvorgänge aus meinem Kopf. Ich stammelte: »Es hatte etwas mit aufgeblähten Wertpapieren und einer Art Börsencrash im achtzehnten Jahrhundert zu tun.«
    Nach einer quälend langen Pause, während der alles darauf wartete, dass ich etwas mehr ins Detail ging, zählte Brett methodisch nach Stichpunkten auf: »Handelsgesellschaft 1711 gegründet, Aktien zu einhundert Pfund, Höhepunkt im August 1720, jede Aktie eintausend Pfund wert, Blase geplatzt im September 1720, Aktienwert einhundert Pfund. Hauptgeschäft afrikanische Sklaven, große Verlierer Sir Isaac Newton und Jonathan Swift, der Verfasser von Gullivers Reisen .«
    Ich sagte: »Ich weiß, wer Gullivers Reisen geschrieben hat, ich verkaufe Bücher.«
    »Genau das ist es. Du arbeitest und lebst in der Vergangenheit, Adrian. Du umgibst dich den ganzen Tag mit alten Büchern, und Daisy hat mir erzählt, dass du an einem mittelalterlichen Theaterstück schreibst. Wach endlich auf, es wird Zeit, dass du mal ernsthaft Geld machst.«
    »Wir sind sehr glücklich hier auf dem Land; wir sind keine Materialisten«, sagte ich.
    Ich warf Daisy einen Bestätigung heischenden Blick zu, doch sie hatte kein Wort von dem gehört, was ich gesagt hatte. Sie war damit beschäftigt, Bretts Schuhe zu bewundern, die angeblich von einem über Neunzigjährigen in Venedig von Hand genäht worden waren.
    Also fuhr ich fort: »Wie dem auch sei, Paul Lewis von Money Box auf Radio Four glaubt, dass eine große Rezession vor der Tür steht.«
    Meine Mutter sagte: »Ich weiß, dass eine kommt. Das spüre ich in den Knochen, und außerdem habe ich die Raucher beobachtet. Wenn die Leute anfangen, ihre Kippen bis zum Filter runterzurauchen, weiß man, dass das Land in fi nanziellen Schwierigkeiten steckt. Deshalb hamstere ich schon Reis und Nudeln und kistenweise Kerzen.«
    Brett lachte. »Pauline, ich arbeite den ganzen Tag und einen Großteil der Nacht in der Finanz, ich verwende Fibonacci Retracements, ergänzt von ausgeklügelten mathematischen Gleichungen. Also sieh es mir bitte nach, wenn ich die Zigarettenstummel nicht

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