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Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Titel: Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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von uns beiden sprach es aus.
    »Bei der Rektaluntersuchung kann man spüren, dass die Prostata stark vergrößert ist«, erklärte er. »Ich halte es für vernünftig, so bald wie möglich mit der Behandlung zu beginnen. Ich werde Sie an meinen Kollegen Mr. Rafferty überweisen.«
    Ich fragte, was für ein Spezialgebiet Mr. Rafferty habe.
    »Er ist Onkologe.«
    »Ist Onkologie ein Euphemismus für Krebs?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort eigentlich gar nicht unbedingt hören wollte.
    »Onkologie befasst sich mit der Erforschung und Behandlung von Tumoren.«
    »Dann habe ich also einen Tumor?«, fragte ich nach.
    »Sie haben mit Sicherheit einen Tumor. Was wir nicht wissen, ist, wie weit er fortgeschritten ist. Mit etwas Glück haben wir ihn frühzeitig erwischt.«
    In dem Moment wünschte ich, ich hätte jemandem gestattet, mich zu dem Termin zu begleiten. Daisy, meine Mutter und Mr. Carlton-Hayes hatten sich alle anerboten. Selbst mein Vater hatte gemurmelt, er würde ein rollstuhlgerechtes Taxi rufen, um uns ins Krankenhaus zu fahren. Jetzt wünschte ich mir, es säße jemand im Wartezimmer.
    Auf dem Weg zurück zum Buchladen fühlte ich mich wie mein eigener Geist. Ich trug meine Unterwäsche, Socken, Schuhe und meinen zweitbesten Anzug, aber ich war hohl. Ich hatte versprochen, Daisy anzurufen, sobald ich das Krankenhaus verließe, aber ich konnte nicht sprechen, mein Mund war trocken, ich fand die richtigen Worte nicht. Also war Mr. Carlton-Hayes der erste Mensch, dem ich es erzählte.
    Er machte mir einen Tee mit zwei gehäuften Teelöffeln Zucker, dann setzte er mich ins Hinterzimmer. Dort berichtete er mir, dass er als junger Mann einmal ernstlich an einem Gehirntumor erkrankt war. »Glücklicherweise war ich damals gerade in der Schweiz und bereitete mich auf eine Besteigung des Matterhorns vor. Die Ärzte befürchteten, ich könnte einen Teil meiner geistigen Fähigkeiten verlieren.«
    »Aber das ist nicht passiert, oder? Sie sind der klügste Mensch, den ich kenne«, sagte ich.
    »Na ja, eine Zeit lang hatte ich mein Latein und mein Griechisch vergessen, aber zum Glück kehrte beides zurück.« Er legte mir die Hand auf die Schulter und sagte: »Warum gehen Sie nicht lieber nach Hause? Sie mussten einen schrecklichen Schock verkraften.«
    Ich sagte, ich würde lieber im Hinterzimmer sitzen bleiben und mich etwas sammeln. Die Ladenglocke bimmelte, und er ging hinaus. Ich hörte eine Frau nach einem Buch über Zaubersprüche fragen. Sie erklärte, ihre Nachbarin weigere sich, ihre Seite der Ligusterhecke, die ihre beiden Grundstücke voneinander trenne, zu schneiden, und deshalb wolle sie sie verhexen.
    Warum ist mindestens die Hälfte unserer Kunden wahnsinnig?
    Donnerstag, 27. September
    Niemals wieder möchte ich eine Nacht wie die vergangene erleben. Daisy nahm die Nachricht sehr schlecht auf. Nach ein paar Minuten Schluchzen bekam sie einen Wutanfall und schrie: »Warum du? Du hast noch nie jemandem was getan, und wenn mir das nächste Mal einer erzählen will, dass es Gott gibt, dann stopfe ich ihm meine scheiß Faust in den Rachen, das schwöre ich. Wenn Er oder Sie existiert, warum lässt Er oder Sie dann zu, dass gemeingefährliche Dumpfbacken kerngesund durch die Straßen spazieren?«
    Meine Mutter hörte das Gebrüll und kam rüber. »Warum straft Gott dich und nicht mich?«, weinte sie. »Wenn ich an deiner Stelle den Tumor haben könnte, ich würde es tun. Ich hatte mein Leben, soweit es eben ging. Ich lebe nur noch für meine Familie und für die zwei Wochen, die dein Vater in Entlastungspflege geht.« Sie zündete sich eine Zigarette an und ergänzte: »Das wird deinen Vater umbringen, wir dürfen es ihm nicht erzählen.«
    »Aber wir halten schon die Jeremy Kyle Show vor ihm geheim«, wandte ich ein. »Er kann nicht für immer vor den Tragödien des Lebens geschützt werden.«
    Gracie wachte auf und kam ins Wohnzimmer. Sie sah in ihrem Disneyprinzessinnenschlafanzug so bezaubernd aus, dass ich sie hochhob und an mich drückte, bis sie sagte: »Daddy, du quetschst mich zu fest. Lass mich runter.«
    Später, als alle sich ein wenig beruhigt hatten, gingen wir nach nebenan, um es meinem Vater zu erzählen. Seine Reaktion auf das Wort »Tumor« war, mit beiden Händen seitlich auf den Rollstuhl zu schlagen und an die Decke gewandt zu rufen: »Und du willst gnädig sein, Gott? Erst bringst du deinen eigenen Sohn um und jetzt meinen!«
    Meine Mutter öffnete die Flasche Sekt, die sie stets

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