Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre
nicht, bin auf Seite drei hängen geblieben.«
Hitesh sagte: »Du solltest es noch mal probieren, Bernard. Das ist ein bisschen, wie einen IKEA-Schrank zusammenbauen. Am Anfang sieht es aus wie ein Sammelsurium von Holz und Schrauben und Scharnieren und so, aber wenn man hartnäckig ist und die Anleitung genau studiert und den richtigen Schraubenzieher hat …«
»Verflucht noch mal«, knurrte Bernard. »Was zum Teufel ist IKEA?«
Er ist der weltfremdeste Mensch, der mir jemals begegnet ist.
Dienstag, 4. Dezember
Meine Mutter kam mit einer Ausgabe des Leicester Mercury , aufgeschlagen auf Seite drei, vorbei. Dort war ein Foto von mir zwischen Pandora und der Bürgermeisterin abgedruckt, flankiert von anderen Krebskranken. Die Überschrift lautete: »Tapfere Betroffene schildern Kampf gegen den Krebs.«
Meine Augen waren geschlossen, der Mund offen, und das linke Handgelenk war abgeknickt. Als Daisy das Bild sah, lachte sie. »Du siehst aus wie Graham Norton beim Niesen.«
Tagebuch, ich habe noch kein einziges vernünftiges Foto von mir selbst gesehen. Die Kamera mag meine Gesichtszüge einfach nicht. Meine Mutter hingegen sieht auf Bildern aus wie Scarlett Johansson, obwohl sie in echt wirkt wie dreiundneunzig.
Mittwoch, 5. Dezember
Im Mazda zur Bestrahlung.
Sally erzählte mir, Anthony habe sich von seinem Job beurlauben lassen und sei nach Kanada geflogen, wo er ehrenamtlich für einen Mann arbeiten will, der einen Antrag auf staatliche Finanzierung eines Aufzuchtprogramms für Wölfe gestellt hat, in der Hoffnung, dass bald Zehntausende von Wölfen auf die Welt kommen und ungehindert durch die Tundra streifen dürfen.
Ich fragte sie, ob sie die Verlobung gelöst hätten.
Sie sagte: »Ich kann ihm doch nicht seinen Traum zerstören, oder?«
Ich persönlich hoffe, dass Anthony von einem Rudel wütender Wölfe zerrissen wird. Ganz schön hart, ich weiß, aber jeder muss mal sterben, und Anthony würde inmitten der geifernden Bestien sicher glücklich sterben.
Erhielt eine Weihnachtskarte von meinen Eltern mit der Post. Warum eine Briefmarke verschwenden? Immerhin wohnen sie nebenan.
Den ganzen Nachmittag habe ich geschlafen, dann musste ich mich beeilen, um Gracie vom Kindergarten abzuholen. Sie saß weinend bei Mrs. Bull im Büro. Angeblich hatte sie Mrs. Bull erzählt, sie habe seit einer Woche nichts gegessen, und es seien keine Lebensmittel im Haus. Das stritt ich natürlich ab und forderte Mrs. Bull auf, mitzukommen und Speisekammer und Kühlschrank zu inspizieren. Sie lehnte ab, aber ich sah ihr an, dass sie glaubte, wir würden Gracie vernachlässigen. Auf dem Heimweg nahm ich Gracie ins Gebet und fragte sie, warum sie Mrs. Bull solch eine böse Lüge aufgetischt habe.
»Ich hatte Hunger«, war alles, was ich aus ihr herausbekam.
Mir graut vor dem Elternabend morgen.
Donnerstag, 6. Dezember
Bestrahlung.
Sally war sehr still. Sie bat mich, nicht von Anthony oder Kanada zu sprechen.
Ging in den Buchladen. Als ich Bernard bat, einen Karton von Nigella Lawsons Kochbüchern beiseitezustellen, der die Tür blockierte, sagte er: »Geht leider nicht, mein Bester. Mein Rücken ist im Eimer. Da müssen wir auf den Jung spund Hitesh warten.«
Um halb drei schickte Hitesh eine SMS, er habe sich den Knöchel gebrochen, weil er aus dem Bett gefallen sei. Da raufhin meinte Bernard: »Wo hat der Bursche denn geschlafen – auf einem beschissenen Kran?«
Dank meines geschwächten Zustands und Bernards Rücken blieben Mrs. Lawsons Bücher also in ihrem Karton. Dummerweise kamen, als Bernard und ich gerade im Hinterzimmer die neue Lieferung sortierten, Nigel und Lance Lovett herein und stolperten über den Karton. Ich weiß nicht, warum Nigel so wütend wurde. Körperlich hatte er sich gar nichts getan, und ich fand es doch maßlos überreagiert, seinem ältesten und besten Freund mit einer Schadensersatzklage zu drohen.
Lance allerdings war sehr freundlich und nahm meine Entschuldigung mit den Worten an: »Ich falle ständig auf den Arsch. Wir blinden Maulwürfe sind eben einfach Tollpatsche.«
Unter meiner Anleitung hob Lance den Karton auf und trug ihn ins Hinterzimmer. Da Nigel immer wieder von dem Karton, über den er gestolpert war, anfing, sagte ich ihm schließlich, er sei selbst schuld und solle in Zukunft nicht mehr ohne seinen Hund, seinen weißen Stock oder eine sehende Begleitperson vor die Tür gehen.
»Wir sind hergekommen, um unsere Weihnachtsgeschenke zu kaufen«, sagte Nigel, »aber
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