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Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre

Titel: Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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Bart und dem handgestrickten Pulli mit dem Rentiermuster. Meine Mutter setzte sich, eine Einwegkamera in der Hand. Dann trat Mrs. Bull auf das Podest und bat das Publikum um Ruhe. Sie trug ihr übliches schlecht sitzendes grünes Kostüm und hatte zur Feier des Tages etwas orangefarbenen Lippenstift aufgetragen. Als ihre Aufforderung nicht sofort befolgt wurde, erhob sie die Stimme und rief: »Dürfte ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit bitten!«
    Das Publikum, ein Querschnitt durchs Dorf, also Trainingsanzug-Proleten und Barbour-Jacken tragende Eltern, wurde still.
    Mrs. Bull sagte: »Ich habe einige Ankündigungen zu machen, ehe unser Festtagsspiel beginnt. Ich hätte es gern Krippenspiel genannt, aber leider ist mir das wegen der Empfindlichkeiten der muslimischen Gemeinde nicht gestattet.«
    Mein Vater murmelte: »Jetzt drehen die politisch Korrekten vollends durch.«
    Und Michael Flowers sagte laut: »Das ist eine verfluchte Schande.«
    Jeder im Publikum sah sich im Saal um, ob er einen Muslim entdecken konnte. Mrs. Ludlow, die mittwochnachmittags die Rentnergruppe leitet, trug zwar ein Kopftuch, aber sie ist ein inbrünstiges Mitglied der anglikanischen Kirche.
    »Diejenigen von Ihnen«, fuhr Mrs. Bull dann fort, »die Fo toapparate und Videokameras mitgebracht haben, dürfen diese leider nicht benutzen. Damit soll verhindert werden, dass Kinder ausgebeutet und zum Zwecke der Erregung Erwachsener im Internet ausgestellt werden.«
    Meine Mutter warf ein: »Niemand wird von einem Haufen Kindern in Bettlaken und mit Geschirrtüchern auf dem Kopf erregt.«
    Mit einem wütenden Blick auf meine Mutter schloss Mrs. Bull: »Und außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass Kleinkinder und Säuglinge, die weinen oder schreien, ge beten werden, den Saal zu verlassen. Unsere Kinder haben diese Vorführung wochenlang geübt, und ich werde dafür sorgen, dass man sie in Ruhe anhört.«
    Ein kleiner Junge in einem gestreiften Betttuch aus ge bürsteter Baumwolle und einem weiß-blauen Geschirrtuch mit der Aufschrift GLÄSER auf dem Kopf trat auf. Was dann folgte, war eine Travestie. Die Kinder hatten ganz offensichtlich nicht genug geprobt und verfügten über keinerlei Schau spielkunst. Als Joseph an seinem Kopfputz fummelte, woraufhin der auf den Boden fiel und der Junge zu weinen anfing, rief aus dem Publikum eine Frau mit gestelztem Akzent: »Das macht doch nichts, Benedict, mein Schätzchen, spiel einfach ohne weiter.«
    Von da an ging es steil bergab. Als die dreißig Schneeflocken auf die Bühne kamen, wurden die Kühe, Schafe, die Heiligen Drei Könige und die Hirten ganz an den Rand des Podests gedrängt, woraufhin Mrs. Bull und diverse Erziehe rinnen sich in einer Reihe unterhaken mussten, damit die Kinder nicht ins Publikum stürzten. Die Musik vom Band stimmte nicht mit dem Bühnengeschehen überein.
    Ich flüsterte meiner Mutter zu: »Gott bewahre uns vor Amateurproduktionen.«
    Nach zwanzig öden Minuten war Gracie (der Stern von Bethlehem) immer noch nicht aufgetreten.
    Ich vergaß, dass wir nicht miteinander sprachen, und flüsterte Daisy ins Ohr: »Der Stern von Bethlehem hätte doch eigentlich von Anfang an da sein müssen, sonst ist das mit den Drei Königen doch Blödsinn. Ich meine, wem sollen sie denn gefolgt sein?«
    »Das ist ein verdammtes Fiasko«, raunte Daisy zurück.
    Gegen Ende schließlich kam der Stern von Bethlehem unter lautstarkem Applaus der Familie Mole und des Opas Flowers auf die Bühne. Der Stern verkündete dem Publikum, dass er lange, lange auf dem Klo gewesen war. Das rief Ge lächter und Beifall hervor, in den allerdings Mrs. Bull, wie ich bemerkte, nicht einfiel.
    Meine Eltern widersetzten sich dem Verbot und filmten und fotografierten mein kleines Mädchen, das eigentlich hätte verkünden sollen: »Der Morgen graute, und der Stern von Bethlehem verblasste am Himmel«, aber stattdessen seiner Fa milie in der ersten Reihe winkte. Unterdessen schwenkte Maria geistesabwesend das Jesuskind (eine Annabelle-Babypuppe) an einem Bein herum. Einer der Heiligen Drei Könige fiel vom Podest und landete vor den Füßen meines Vaters, immer noch krampfhaft seine Weihrauchschachtel umklammernd.
    Michael Flowers stand auf und hob den Jungen wieder auf die Bühne, woraufhin Mrs. Bull rief: »Bitte fassen Sie das Kind nicht so grob an!«
    Darauf entgegnete mein Schwiegervater: »Gute Frau, ich gehorche nicht dem Straßburger Diktat, wie man ein Kind hochzuheben hat!«
    Nach einer stümperhaften

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