Townsend, S: Tagebücher des Adrian Mole: Die schweren Jahre
ich ihn vermissen würde, wie sehr ich sein Bücherwissen achtete, seine unfehlbar guten Manieren bewunderte. Nur um etwas zu tun zu haben, sammelte ich die Teller und Gläser zusammen und trug sie in die Küche, wo ich Leslie über die Spüle gebeugt vorfand, den Kopf in den Händen.
Ich fragte ihn, ob es ihm gutgehe, und er wandte mir ein tränenüberströmtes Gesicht zu und fragte mit erstickter Stimme: »Das ist möglicherweise sein letztes Weihnachten mit mir, und trotzdem stellt er mich nicht vernünftig seinen Freunden vor. Warum? Schämt er sich für mich? Ich hab das Haus immer gut in Schuss gehalten, und wenn er nach Hause kam, stand immer ein anständiges Essen für ihn auf dem Tisch. Ich weiß nicht, wie es für mich weitergehen soll, wenn er stirbt. Ich kann nicht noch mal von vorn anfangen, nicht in meinem Alter.«
Zu meinem Entsetzen nahm er seine Haare ab und wisch te sich mit einem Taschentuch den kahlen Kopf ab. Ich starrte die graue, wellige Perücke an; ich war absolut darauf reingefallen. Dann setzte er sie wieder auf und warf einen prüfenden Blick in die glänzende Mikrowellentür. »Na gut, Leslie, Haltung jetzt«, sagte er zu sich selbst und kehrte ins Wohnzimmer zurück.
Um mir etwas Zeit zu verschaffen, spülte ich die Gläser und Teller ab und sah mich in der Küche um. Auf den Regalen standen mehr Bücher als Kochgerätschaften. Als ich schließlich widerstrebend zu den anderen zurückkehrte, erzählte Hitesh – der nicht an Sekt gewöhnt war – gerade eine Geschichte von einem seiner Collegedozenten, dessen Perücke auf dem Campus von einer starken Windbö davongeweht worden war. Leslie berührte seine Haare und tauschte einen Blick mit Mr. Carlton-Hayes.
»Ich weiß gar nicht«, meinte Bernard, »warum diese däm lichen Trottel überhaupt ein Toupet tragen. Man sieht es immer.«
Jetzt stand ich auf. »Ich sollte wohl besser nach Hause fahren«, sagte ich. »Darf ich mir ein Taxi rufen?«
»Ich fahre Sie«, bot Leslie an. »Ich muss noch ein Päckchen Truthahnfüllung für morgen kaufen.«
Ich wünschte Mr. Carlton-Hayes ein sehr fröhliches Weihnachtsfest.
»Wir unterhalten uns nach den Feiertagen, mein Lieber«, sagte er.
Eigentlich hatte ich ihm die Hand schütteln wollen, aber stattdessen beugte ich mich vor und küsste ihn.
Leslies Wagen stank nach dem Kiefernnadel-Duftbaum, der an seinem Rückspiegel hing. Wir setzten Hitesh vor der Doppelhaushälfte seiner Eltern in Evington ab und sahen ihm nach, als er leicht schwankend zur Tür lief. Auf dem Weg aus der Stadt heraus fiel mir ein, dass ich Daisy noch gar nicht angerufen und von Bernard erzählt hatte. Ich konnte sie schlecht in Bernards Beisein anrufen, also erfuhr Daisy erst, als Bernard in unsere Küche spazierte, dass wir einen Gast über Weihnachten haben.
Mitternacht
Jetzt ist offiziell Weihnachten. Daisys Begrüßung von Bernard fiel ziemlich frostig aus, aber als meine Eltern gekommen und ein paar Flaschen geöffnet worden waren, entspannte sie sich langsam und gestattete Bernard – nachdem sie ihn Händewaschen geschickt hatte –, den Truthahn zu stopfen. Sie willigte sogar ein, als Bernard vorschlug, wir sollten uns ab jetzt alle duzen.
Wir stellten noch eine Untertasse mit Milch und eine halb gegessene Möhre für die Rentiere und einen angeknabberten Mince Pie und ein Glas Whisky für den Weihnachtsmann am Kamin bereit. Danach gingen meine Eltern nach Hause, und ich baute für Bernard ein Schlafsacknachtlager auf dem Sofa. Bernard hatte weder einen Schlafanzug noch eine Zahnbürste oder Kleidung beziehungsweise Unterwäsche zum Wechseln dabei, also ging ich nach nebenan, um ein paar Sachen von meinem Vater auszuleihen, der ungefähr dieselbe Größe wie Bernard hat. Meine Mutter war noch auf. Ihre Haare waren auf riesige Lockenwickler gedreht, und sie trug eine grüne Gesichtsmaske aus Algen und Gurken, wie sie sagte. Sie finde Bernard »zum Schießen«, erzählte sie mir, und dass er Schwung in die Feiertage bringen würde. Auf Zehenspitzen tapste sie ins Zimmer meines Vaters und sammelte einige Toilettenartikel und einen Schlafanzug zusammen.
Als ich nach Hause kam, war Bernard auf dem Sofa eingeschlafen, Oscar Wildes Der glückliche Prinz aufgeschlagen auf der Brust.
Gracies Hauptgeschenk war ein Minitrampolin. Als wir die Schachtel von Toys »R« Us öffneten, entdeckten wir, dass sich darin achtzig Einzelteile befanden, und dass das Spezialwerkzeug, mit dem man das blöde Ding zusammenbauen
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