Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
Zweifel. »Und nächsten Sonntag?«, fragte er. »Falls du bis dahin den Fall gelöst hast, meine ich.«
»Nächsten Sonntag ganz bestimmt«, versprach ich.
Hinter mir räusperte sich meine Ex. »Kann ich mal draußen mit dir sprechen, bitte?«
Ich klopfte Jimmy auf die Schulter. »Wir sehen uns die ganze Woche beim Training.«
»Klar«, sagte Jimmy und rang sich ein Lächeln ab, bevor er sich wieder seinen Zeichentrickfilmen zuwandte. Fay ging mit mir nach draußen und schloss die Glastür. Der Duft der Orchideen hing schwer in der Luft. Sie rieb sich die Stirn mit dem Handrücken, ein sicheres Zeichen, dass sie mir eine Gardinenpredigt halten wollte.
»Es wäre mir recht, wenn du in Zukunft vorher anrufen würdest, wenn du vorbeikommst«, begann sie. »Ich könnte auch zickig werden und die Besuchsregelung wortwörtlich auslegen. Aber daran liegt mir nichts, deshalb erwarte ich von dir, dass du die Höflichkeit aufbringst, anzurufen, bevor du hier reinschneist. Du weißt, wie man ein Handy bedient, Shay.«
»Hast Recht. Tut mir Leid. Ist Walter da?«
»Das geht dich nichts an. Und außerdem ist es schon das zweite Mal, dass du einen Angelausflug mit deinem Sohn absagst.«
Bedauern und Schuldgefühle erstickten meinen Zorn, der schon in mir aufzuwallen begann.
»Nichts zu machen. Das ist ein Mord wie in einem Horrorfilm. Das Opfer war ungefähr in meinem Alter. Es geht mir nahe.«
Fay sah mich mit ihren alles durchdringenden rauchigen Opalaugen an. »Du hast wirklich ein inniges Verhältnis zu Leichen, Shay. Woher kommt es bloß, dass du mit den Lebenden so wenig anfangen kannst? Siehst du den Jungen da drinnen? Er ist dein Fleisch und Blut, aber trotzdem kommt er bei dir immer erst an zweiter Stelle. Du merkst gar nicht, wie er zu dir aufschaut. Es dauert nicht mehr lange, und er sieht an dir vorbei.«
»So wie du?«
Über Fays Gesicht huschte ein gequältes ironisches Lächeln. »Nein, so wie du es mit mir gemacht hast.«
Wir sahen uns wortlos an. Die gemeinsam verbrachten Jahre standen zwischen uns wie eine Mauer. Ich fühlte mich mit einem Mal sehr müde.
»Hör zu, können wir das auf ein andermal verschieben? Ich habe eine medizinische Frage. An Walter.«
»Ich reiche dir wohl nicht?«
»Ich brauche keine Säuglingsspezialistin. Ich benötige seine Spezialkenntnisse.«
Fay sah mich forschend an. »Und du benimmst dich auch?«
»Tue ich das nicht immer?«
»Nein«, sagte sie, zuckte mit den Schultern und wandte sich zum Haus. »Warte hier.«
Gleich darauf kam sie zurück, einen drahtigen, bärtigen Mann in dunklem Trainingsanzug und Birkenstock-Sandalen im Schlepptau. Bei meinem Anblick ballte er kurz die Hände zu Fäusten, öffnete sie wieder und ballte sie erneut. »Fay meint, Sie bräuchten meine Hilfe?«
»Ja, Walt. Sie haben doch schon öfter mit Schlangenbissen zu tun gehabt? In der Notaufnahme, meine ich.«
Walter wusste genau, dass ich weiß, wie sehr er es hasst, Walt genannt zu werden. Er verzog das Gesicht, antwortete aber höflich: »Kommt vor. Leute, die sich in den Canyons rumtreiben, hauptsächlich im Osten des County. Gelegentlich auch Touristen und Saisonarbeiter. Wieso?«
»Ich arbeite an einem Fall, wo jemand durch einen Schlangenbiss zu Tode gekommen ist. Wie oft kriegen Sie dergleichen im Jahr zu Gesicht?«
»Fünfzehn-, vielleicht zwanzigmal. Wenn es die Leute innerhalb der ersten beiden Stunden zu uns schaffen, geht es selten tödlich aus. Die Seren wirken sehr gut. Wir verwenden CroFab, das ist das allerneueste.«
»Und es stirbt sich ziemlich hässlich, wenn man kein Serum bekommt?«
»Kann man denn auch schön sterben?«, meinte Walter süffisant.
»Wahrscheinlich nicht«, antwortete ich. »Aber das ist keine Antwort auf meine Frage.«
Walter hörte auf, seine Hände zu ballen. »Patienten, die gebissen wurden, berichten von extremen Schmerzen. Im fortgeschrittenen Stadium des Vergiftungszustands vergisst man offenbar, wer und was man ist, und sogar, dass einen eine Schlange gebissen hat. Man merkt, dass man stirbt, aber man versteht nicht, warum. Ziemlich grausige Angelegenheit, körperlich wie psychologisch.«
»Warum psychologisch?«
Nun hatte Walter Oberwasser, und das wusste er auch. Er verfiel in den Tonfall eines erfahrenen Arztes, der vor einem Studenten doziert.
»Am Anfang steht man unter Schock, weil man gebissen worden ist, was natürlich Angst auslöst und den Adrenalinpegel steigen lässt – das muss man in den Griff kriegen, wenn man
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