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Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)

Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)

Titel: Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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Klappschreibtisch waren Steuerunterlagen verstreut. In den offenen Schränken stapelten sich Romane und Biographien. Auf der Musikanlage türmten sich leere CD-Hüllen. Und es lag ein Geruch in der Luft, mit dem ich nicht gerechnet hatte. Die erste Ahnung von etwas, das mir schon in Dutzenden finsteren Wohnungen entgegengeschlagen war – der bittere, ätzende Geruch, den ein alternder, allein lebender Mann verbreitet.
    Bevor ich vollends in Melancholie versank, zog ich ein Sweatshirt an und ging zu der Kajüte, in der Jimmy schläft, wenn er bei mir ist. Über seinem Bett hängt mein altes Trikot von den Red Sox mit der Nummer 67. Fast hätte ich die immer noch unordentlichen Laken glatt gezogen, doch dann ließ ich es, wie so oft, wenn ich weiß, dass er eine Weile nicht kommt. Ich trank das Bier aus, holte mir noch eins – damit war ich an meinem Limit – und setzte mich mit einem Notizblock in der Kombüse an den Tisch.
    Welch unsagbare Freude, den Tod in Händen zu halten.
    Wer von Jugend an Sport treibt, lernt, seine Stärken auszuspielen. Mein Fastball war Mitte der neunziger Jahre auf dem Höhepunkt. Mein Curve und mein Change up konnten sich sehen lassen. Aber damit hatte ich mein Repertoire auch schon erschöpft. Mein Sinker und mein Slider waren mal so, mal so. Mit dem Splitter hatte ich schon immer meine Schwierigkeiten gehabt. Aber was mir an Technik fehlte, machte ich mit schierer Kraft und der Fähigkeit wett, mich in den Kopf des Batters zu versetzen und zu erahnen, was er gerne hätte, um dann aus meinem Arsenal genau den Wurf auszuwählen, der ihm am ungelegensten kam.
    Und genauso gehe ich auch bei der Aufklärung eines Verbrechens vor. Spuren sammeln und verfolgen, das verstehen andere aus unserer Einheit besser, Jorge und Missy beispielsweise. Rikkos Spezialität ist es, Verdächtige zum Singen zu bringen. Er zieht dazu eine bühnenreife Show als Guerillero-auf-Peyote-Trip ab, dass denen der Arsch auf Grundeis geht. Meine Stärke ist die Analyse: Ich nehme die Elemente des Rätsels, wie sie sich gerade bieten, lasse meine Einbildungskraft spielen und füge sie zu einem Bild dessen zusammen, was passiert sein muss.
    Welch unsagbare Freude, den Tod in Händen zu halten .
    Die Worte riefen in mir die unangenehme Vorstellung einer Schlange hervor, die über ausgestreckte Handflächen kriecht. Ihr Kopf gleitet auf den nackten Morgan Cook zu, der panisch an seinen Fesseln zerrt. Der Typ mit den schmalen Lippen von der Phantomzeichnung gerät in Verzückung. Seine Hände zittern leicht, als die Viper zubeißt.
    Ich spürte einen wachsenden Druck im Kopf, während sich dieses Bild vor mir entfaltete. Das Blut pochte in meinen Schläfen. Wieder stand das regennasse nächtliche Dock vor mir und der Mann, der hinter leeren Kisten versteckt eine Pistole umklammerte. Mein Herz schlug wie wild, meine Kehle schnürte sich zu, und ich schnappte panisch nach Luft.
    Ich nahm mein Bier und ging nach oben auf die Brücke. Dort stand ich und versuchte mich zu beruhigen, mir einzureden, dass diese plötzlich hochgespülten Flashbacks nichts zu bedeuten hatten. Es dauerte einige Minuten, bis ich mich so weit beruhigt hatte, um mich in den Kapitänsstuhl zu setzen, in die Dunkelheit hinauszuschauen und dem Plätschern der Wellen und dem entfernten Tuten des Nebelhorns am Point Loma zu lauschen. Ein Schiff fuhr vorbei, hinaus aufs Meer, und ich sah ihm mit dem unruhigen Gefühl nach, dass auch ich mich auf eine Reise ins Ungewisse begab.

8
    Wenn man an einem Mordfall arbeitet, findet man selten erholsamen Schlaf. Selbst wenn man am nächsten Tag keinen Dienst hat, bleibt man in ein Netz böser Vorahnungen verstrickt, die einen daran hindern, in jene tiefe Bewusstlosigkeit abzutauchen, die man braucht, um die Erlebnisse des Tages abzuschütteln. Man wälzt sich schweißgebadet hin und her und schreckt dauernd auf, weil man meint, das Telefon hätte geklingelt, und dann geht es wieder los: Irgendwo in der Stadt ist ein Mitglied einer Straßengang niedergestochen worden, ein kleines Mädchen wurde vergewaltigt und in einen Canyon bei Burlingame geworfen, ein Besoffener wurde ertrunken am Pazifikstrand angespült, ein Erhängter baumelt an der Brücke nach Coronado, oder eine alte Dame sitzt mit halb weggepustetem Kopf auf der Veranda hinter ihrem Haus in Mira Mesa.
    Aber in dieser Nacht blieb das Telefon zum ersten Mal seit Monaten still, und ich fiel in einen tiefen Erschöpfungsschlaf. Als der Morgen anbrach, träumte

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