Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
in die Kiste mit dem Schlangenskelett und ging zurück zu meinem Wagen.
Der Himmel färbte sich magentarot, durchsetzt mit Purpurstreifen. Schließlich stieg ein nahezu perfekter Vollmond am Himmel auf und warf ein blasses Licht in den sich verdunkelnden Wald. Die Bäume zeichneten ein wirres Muster fahlroter Schatten auf den Boden. Lichtstrahlen fingen sich in den Geisterflaschen und schufen einen düsteren Regenbogen. Es war unheimlich, und plötzlich fühlte ich mich erschöpft.
Ich eilte zum Auto zurück und kramte mein Handy aus der Tasche. Kein Empfang. Ich beschloss, wieder ins Washoo Arms zu fahren, Rikko und Christina anzurufen, ihnen von Hattiesburg und dem Duft auf der Lichtung zu erzählen.
Gerade als die Sonne vollends verschwand und der Wald ganz in den Bann des Mondes geriet, ertönte plötzlich Musik, und alles war auf einmal ganz anders.
Die Musik kam von Osten, von weit jenseits der Lichtung, sie klang blechern und maßlos laut, eine bizarre Mischung aus Southside-Chicago-Blues und elektronischem Hillbilly. Eine jaulende Gitarre machte den Anfang, dann ratterten die Tambourine, ein Dobro klagte melodisch, Becken dröhnten, Blasinstrumente plärrten, alles stampfend untermalt von E-Bass und Schlagzeug.
Dann setzte Gesang ein. Einige der Stimmen, die da in die Mikrophone schmetterten, klangen ziemlich heiser. Der Rest war ein ungeschulter Chor, dessen Lied, getragen von den verstärkten Instrumenten, durch den Wald herauf drang und von der Felswand widerhallte.
Das war die schrägste Musik, die ich je gehört hatte. »Bloß weg hier«, war mein erster Gedanke. Aber die Melodie wirkte sehr kraftvoll, ja sie rührte verführerisch an die Seele. Die ungekünstelte Erregung der Stimmen, die mit dem Bass anschwollen, der jähe frenetische Einsatz der höheren Instrumente lockte mich in den Wald zurück. Ich stolperte zurück zur Lichtung, duckte mich unter den Geisterfängern und kämpfte mich durch das Kudzugestrüpp. Im Mondlicht irrte ich durch ein Labyrinth umgestürzter Bäume und überwucherter Steinhaufen.
Schließlich gelangte ich zu einem kleinen Hügel, der mit Weihrauchkiefern bewachsen war, und dahinter blendete mich grelles Licht, das durch die Zweige drang. Vorsichtig ging ich bis an den Waldrand und blieb im Schatten stehen, erschüttert von der Szene, die sich mir bot.
Noch nie hatte ich ein Gotteshaus in einer so spektakulären Lage gesehen. Lange bevor der Mensch die Erde betrat, war ein riesiger L-förmiger Felsblock von dem Kalksteinkamm oberhalb von Hattiesburg abgebrochen und ins Tal gestürzt. Zurück blieb der Halbkreis einer vierhundert Meter hohen Felsplatte, die weit in den Kamm hineinragte, sich verjüngte und schließlich auf die Rückwand einer breiten Höhle stieß. Gepflegte Wege führten zu der Steilwand, die Richtung Hattiesburg abfiel. Ein weiterer Weg verband die Kirche mit einem schlichten Spielplatz und einem Parkplatz im Wald auf der anderen Seite der Felsplatte. Dort sah ich gut fünfzig Fahrzeuge stehen.
Die Kirche selbst schmiegte sich in die Höhle, ihre Rückwand war keine fünf Meter von der Höhlenwand entfernt. Sie war klein und stand auf einem Betonsockel. Das ganze Gebäude war mit großer Sorgfalt errichtet, den Holzrahmenbau hatten geschickte Zimmerleute mit Schlitz- und Zapfenverbindungen gefertigt. Runde, geölte Holzschindeln verliehen dem Gebäude eine warme Patina.
Ein schlichtes Holzkreuz erhob sich auf dem Giebel direkt über dem Eingang. Unter dem Kreuz hing ein hufeisenförmiges Schild mit dunkelgrüner Schrift: KIRCHE JESU ZUNGENREDNER. Darunter stand auf einem kleineren Schild: Markus 16, 15–18.
Ich hatte ungewollt die Holiness Church von Hattiesburg entdeckt.
Die Holzläden vor den unverglasten Fensteröffnungen standen offen und ließen den Nachtwind ein, der über die Hochebene wehte. Drei der Fenster überblickte ich von meinem Standort bei den Kiefern. Drinnen tanzten und sangen etwa siebzig Gläubige.
Ihr armen Sünder, seid ihr bereit?
Ohne den Heiland droht dunkle Zeit;
Wird euch vergeben, die böse Tat,
Wenn das bleiche Ross und sein Reiter naht?
Auf den Bänken drängten sich Männer mit Entenschwanzfrisur, schlichten weißen Hemden und dunklen Hosen. Die Frauen trugen knöchellange Blümchenkleider von der Art, wie ich sie an Darlene Winterridge gesehen hatte, ein Dutzend von ihnen war sichtlich schwanger, und die Haare fielen ihnen offen bis zur Taille, die älteren hatten ihre grauen Zöpfe hochgesteckt. Ich
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