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Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)

Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)

Titel: Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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den Zweigen der Bäume, die die Lichtung säumten. Insgesamt mochten es an die hundert Flaschen sein: Coca-Cola und Pepsi, Dr Pepper, Fanta und Mountain Dew. Später erfuhr ich, dass man sie »Geisterbäume« nennt.
    Im ländlichen Alabama hängen die Leute bunte Flaschen in die Bäume, um das Böse einzufangen. Aber die Menschen von Hattiesburg hatten diesen Brauch noch ein bisschen weiter getrieben: Sie benutzten die Flaschen als eine Art Stacheldraht und geboten dem Wald Einhalt wie ein Gefängniswärter, der das Dickicht vor seinen Mauern lichtet.
    Das Blechdach des alten Hauses hatte ein entwurzelter Milchorangenbaum eingedrückt, den wohl vor Jahren ein Wintersturm gefällt hatte. Teerpappe schälte sich von den Latten der Wände. Zackige Überreste von Glas ließen die Fenster wie Raubtierrachen erscheinen. Die Vordertür hing schräg an der unteren Angel. Aus den kaputten Dielen der Veranda wucherte Moos. Hinter dem Haus stand eine Scheune, daneben eine Außentoilette, aus deren Seitenwand Pilze wuchsen. Offenbar bekam die Lichtung wenig Sonne ab.
    Doch in diesem Augenblick drangen die letzten Strahlen der untergehenden Sonne von der Felswand herüber, verliehen dem Nebel zwischen den Bäumen einen zartrosa Schimmer und fielen auf die Scheune. Ich folgte dem Licht zu den Hartriegelbüschen, die rund um einen alten Pecanobaum und die Scheune wuchsen.
    Gärtnern ist Fays Leidenschaft, und in meiner Ehe habe ich einiges über Bäume und Sträucher gelernt. Ich hätte gedacht, dass so weit im Süden die meisten um diese Jahreszeit schon verblüht sein müssten. Aber zu meiner Überraschung blühte der Hartriegel immer noch rosa, und auch am Pecanobaum prangte eine helle Blüte. Als ich zur offenen Scheunentür ging, traf der letzte Sonnenstrahl die Tropfen an den Blütenblättern.
    Suppendosen, Whiskeyflaschen, angeschlagene Teller und Einmachgläser bedeckten den Boden. Unter welkem Laub sah ich den Gitterdeckel einer Holzkiste. Ich ging in die Hocke, nahm ein Einmachglas in die Hand, sah Schrauben und Nägel, in einem zweiten Unterlegscheiben, in einem dritten Spinnweben und mumifizierte Kokons. Dann zog ich die Kiste aus dem Laubhaufen, stand auf und hielt sie ins verblassende Tageslicht.
    Die Kiste erwies sich als eine Art Käfig, dessen Tür mit einer verrosteten Eisenhaspe geschlossen wurde. Die Scharniere an der Rückseite bestanden aus verrotteten Lederbändern. Am Boden der Kiste schimmerte etwas Blasses. Ich blinzelte, hielt die Kiste schräg, sah genauer hin und erschrak. In meinen zitternden Händen rasselte das Skelett einer Viper. Vor Entsetzen hätte ich den kleinen Kasten beinahe fallen lassen. Ich holte tief Luft – doch was mir da in die Nase stieg, verblüffte mich vollends.
    Ich weiß nicht, warum mir der Geruch nicht schon bei meinem Spaziergang durch den Wald aufgefallen war. Oder als ich auf die Lichtung trat. Vielleicht hatte sich seine Intensität erst ganz entfaltet, als die Abendsonne hereinfiel, den feuchten Boden berührte und die Tröpfchen an den Blättern und Blüten von Pecanobaum und Hartriegel erwärmte, sodass rund um die Ruine, in der Lucas Stark vor siebenundzwanzig Jahren seine Frau ermordet hatte, eine eigenartige Melange von Molekülen aufgewirbelt wurde.
    Aber der Duft war unverkennbar und erschütterte mich bis ins Mark.
    Es war das Aroma des Frühlingswaldes am Abend nach einem Gewitter, nasse Rinde, Kiefernnadeln und schwarzer Boden, der Wald ganz sauber und klar, vermischt mit dem zarten Hauch der Hartriegel- und Pecanoblüten, dazu der prickelnde Geruch des Leders, untermalt vom Moschusaroma gewendeten Laubs.
    »Der Duft von Southern Nights«, murmelte ich.

60
    Jetzt war ich mir sicher, dass der Täter, der Morgan Cook, Matthew Haines und John Sprouls im fernen San Diego gefoltert und ermordet hatte, an einem Abend wie diesem auf genau dieser Lichtung in Alabama gestanden hatte – irgendwann im Frühling, als die letzten Sonnenstrahlen nach einem verregneten Tag die sinnliche Erinnerung an einen kaltblütigen Mord weckten.
    Aber ich musste meinen Eindruck, dass die Lichtung in den Wäldern von Hattiesburg nach »Southern Nights« duftete, beweisen können, also stellte ich die Kiste ab und raffte Laub aus der Scheune, Grasbüschel und Kudzublätter zusammen. Dann schnitt ich mit meinem Messer die Pecano- und Hartriegelblüten ab, stach ein Stück feuchte Rinde von einer stämmigen Kiefer, und zupfte Blätter von der Milchorange und der Magnolie. Ich packte alles

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