Toxic: Der Biss - Das Feuer - Die Hölle Thriller (German Edition)
zielte nun auf meine rechte Niere.
»Moynihan, ich bin jetzt dein Erlöser, kapiert?«, sagte er mit schwerer Zunge. »Mach keinen Mucks, außer ich sag’s dir. Verstanden?«
Noch nie hatte ich mit jemandem zu tun gehabt, der einen so einschüchtern konnte wie Nelson Carruthers. Betrunken und wütend wie er war, verfügte er über eine derart geballte Kraft, die genau an meinen Schwachpunkten ansetzte, sodass er mich mit der Pumpgun im Rücken und der Hand im Nacken dirigieren konnte wie eine Marionette. So stolperte ich vor ihm die Böschung hinunter, ohne zu sehen, wo ich hintrat.
Als wir die Wiese vor der Kirche erreichten, erspähte ich durch die Baumwipfel den Mond, der hoch über der Felswand stand. Ich musste mich umdrehen und niederknien, sodass ich den Eingang mit dem Kreuz darüber vor mir sah. Die Pumpgun hatte ich nun wieder im Nacken. Mittlerweile hatte sich die Gemeinde um mich versammelt und betrachtete mich mit versteinerter Miene.
»Konntest du nicht auf mich hören und hier verschwinden, he?«, sagte Carruthers, der nun neben mir stand und seine Waffe gegen meinen Bizeps drückte. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass er mich mit demselben Blick musterte wie die Wagemutigen ihre Klapperschlangen während des Gottesdienstes. »Du bist wohl gekommen, um die Knochen von Lucas Stark auszugraben, stimmt’s? Oder hast du mich auf dem Kieker? Bist du hinter mir her, Großstadtbulle?«
»Ich weiß nicht, wovon Sie reden«, gab ich zurück.
Er beugte sich über mich, und ich roch den Whiskey in seinem Atem. »Ach nö? Du kommst an so einem Abend und meinst, ich wüsste nicht, wer du wirklich bist, du, der du mich versuchen und verhöhnen willst?«
Jetzt löste sich Schwester Eileen, Calebs Mutter, aus der Menge. »Nelson, nimm das Gewehr weg. Bitte.«
Er wankte ein klein wenig und sah sie skeptisch an. »Der Satan ist erschienen, um mich zu peinigen, Frau«, sagte er. »Und ich zeige Gott, dass ich eins bin mit ihm, dass ich mit dem da fertig werde. Siehst du das nicht?«
»Bitte, Nelson«, sagte sie mit Tränen der Verzweiflung in den Augen. »Hör auf.«
Wieder spürte ich den Lauf der Waffe deutlich an meinem Hals. »Du hörst bei der Predigt wohl nie zu, Eileen?«, sagte er. »Bruder Neal hat doch erklärt, dass dieser Mann aus unserem Unglück Profit schlagen will. Er könnte das Werkzeug meiner Vernichtung sein!«
Es erhob sich ein wirres Gemurmel. Verzweifelt suchte ich bekannte Gesichter – Darlene Winterridge, die Empfangsdame und Parnell Jones standen in der vordersten Reihe.
»Ich bin nur ein Polizist«, versicherte ich ihnen. »Ich arbeite an drei Mordfällen in San Diego und … «
»Halt’s Maul«, fuhr Carruthers dazwischen. Dann leuchteten seine Augen, als hätte er eine Eingebung. »Bruder Moynihan sagt, er will uns nichts Böses. Warum beweist er es nicht?« Er lachte wie über einen gelungenen Scherz. »Glaubst du an den Herrn, Moynihan?«
»Bitte, ich … «
»Halt’s Maul«, grollte er. »Bist du eins mit dem Herrn?«
»Ich weiß nicht«, gestand ich.
Auch das fand er komisch. »Du wirst es bald rausfinden. Das ist das Schöne an der Schlangenzeremonie, Moynihan: Du findest schnell heraus, ob Gott auf deiner Seite ist oder nicht.«
Suchend ließ er den Blick über die Menge schweifen, dann nickte er Parnell Jones zu. »Du – dich meine ich – du gehst in die Kirche und bringst ihm eine Schlange.«
Jones zögerte. »Bruder Nelson, ich … «
»Nicht Bruder Nelson!«, brüllte Carrutherszornentbrannt. »Ich bin Polizeichef Carruthers, der oberste Ordnungshüter in Hattiesburg. Geh und hol mir eine Schlange!«
Der Gerichtsschreiber duckte sich ängstlich, drehte sich um und lief die Kirchentreppe hinauf. Das alles schien sich ganz lautlos zu vollziehen, so wie früher auf dem Sportplatz, wenn ich eine Erfolgsserie hatte. Als würde all das mit einem anderen geschehen, sah ich, wie Jones zum Altar rannte, sich eine Kiste griff und zu mir zurück spurtete.
»Stell sie da hin«, befahl Carruthers und wies mit dem Kinn auf die Grasfläche vor mir. Parnell Jones näherte sich unterwürfig und setzte den Behälter einen halben Meter vor meinen Knien ab. Im Licht, das aus der Kirche drang, zeichnete sich matt die Silhouette des Tieres ab, das warnend klopfte. Es war die große Diamantklapperschlange.
Einen Augenblick lang bestand die Wirklichkeit nur aus Schatten: Der Schatten der Schlange, die sich in der Kiste wand, die Schatten der Gemeindemitglieder, die rundum
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