Toxin
Arm. »Ich verstehe dich. Und ich werde dich nicht drängen. Ich will dir sogar helfen, die skandalösen Zustände aufzudecken. Aber Beckys Tod wirst du dadurch nicht verdrängen können.« Kim nickte. »Ich weiß«, flüsterte er. »Danke.« Die Fahrt dauerte nicht lange. Kim berichtete Tracy in allen Einzelheiten, was passiert war, seitdem Marsha bei ihm zu Hause aufgetaucht war. Er endete mit seiner Verhaftung. Als er Tracy beschrieb, wie der Mann mit dem Messer ihn attackiert hatte, war sie schockiert.
»Wie sah der Mann aus?« fragte sie. In einem dunklen Schlachthaus überfallen zu werden, war für sie der blanke Horror.
»Es ging wahnsinnig schnell«, erwiderte Kim. »Ich weiß gar nicht, wie ich ihn beschreiben soll.«
»War er alt oder jung?« fragte Tracy. »Groß oder klein?« Aus irgendeinem unerklärlichen Grund wollte sie wissen, wie der Mann aussah.
»Ein dunkler Typ«, erinnerte sich Kim. »Dunkle Haut, dunkles Haar. Ich schätze, er ist Mexikaner oder zumindest Latino. Ziemlich dürr, aber gut durchtrainiert. Außerdem hat er etliche Tätowierungen.«
»Warum hast du Justin nichts davon erzählt?« fragte sie. »Was hätte es denn gebracht, wenn er die Geschichte gekannt hätte?« fragte Kim zurück.
»Er hätte den Richter darüber in Kenntnis setzen können.«
»Aber dadurch hätte sich doch nichts geändert«, wandte Kim ein. »Vielleicht wäre es sogar ungünstig für mich gewesen. Immerhin klingt die Geschichte ja doch ein bißchen unglaubwürdig. Ich wollte nur auf freien Fuß gesetzt werden und in Ruhe überlegen können, was ich jetzt tun soll.«
»Meinst du, Marsha könnte immer noch bei Higgins und Hancock sein?« fragte Tracy. »Vielleicht wird sie gegen ihren Willen dort festgehalten.«
»Entweder das, oder man hat ihr noch Schlimmeres angetan«, erwiderte Kim. »Falls das Blut, das ich entdeckt habe, Menschenblut war, hat man sie vielleicht sogar umgebracht.«
»Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich sagen soll«, gestand Tracy.
»Ich auch nicht«, gab Kim zu. »Aber ich hoffe immer noch, daß sie fliehen konnte. Vielleicht sollte ich mal meinen Anrufbeantworter abhören. Sie könnte ja bei mir angerufen haben.« Tracy nahm das Handy aus der Autohalterung und reichte es ihm. Er wählte und konzentrierte sich. Nach ein paar Minuten legte er das Telefon zurück. »Und?« fragte Tracy.
Er schüttelte deprimiert den Kopf. »Fehlanzeige. Außer Ginger hat sich niemand gemeldet.«
»Erzähl mir doch mal genau, was du gehört hast, als du das letzte Mal mit Marsha gesprochen hast«, bat Tracy. »Ich habe gehört, wie Glas zu Bruch ging«, wiederholte Kim. »Und zwar direkt nachdem sie mir gesagt hatte, daß jemand an der Tür sei. Danach habe ich es ein paarmal krachen gehört. Das müssen die Stühle gewesen sein.«
»Und das hast du alles den Polizisten erzählt?« fragte Tracy. »Natürlich«, erwiderte Kim. »Aber sie fanden die Geschichte nur lachhaft. Obwohl man sie ja irgendwie verstehen kann. Sie halten mich eben für einen Irren. Als ich ihnen das Blut zeigen wollte, war es plötzlich nicht mehr da. Als ich ihnen das Handy zeigen wollte, war es ebenfalls verschwunden. Und Marshas Auto stand auch nicht mehr an der Stelle, an der ich es zuvor gesehen hatte.«
»Vielleicht hat sie das Handy selbst mitgenommen«, überlegte Tracy. »Womöglich ist sie dem Mann entkommen und mit ihrem Auto weggefahren.«
»Ich wünsche mir von tiefstem Herzen, daß es so ist«, seufzte Kim. »Ich mag mir gar nicht vorstellen, was ihr ansonsten widerfahren sein könnte. Ich mache mir furchtbare Vorwürfe. Sie ist doch nur wegen mir in Schwierigkeiten geraten.«
»Du hast sie zu nichts gezwungen«, sagte Tracy. »Sie ist aus freien Stücken zu Higgins und Hancock gefahren. Ich habe sie zwar nur kurz kennengelernt, aber ich weiß, daß sie sich niemals von irgend jemandem herumkommandieren ließe. Sie hat ihren eigenen Kopf.«
»Ich glaube, ich sollte mir mal den Nachtwächter vorknöpfen«, überlegte Kim laut. »Er mußte wissen, daß Marsha in der Firma war, auch wenn er es abgestritten hat.«
»Wenn er die Polizei schon belogen hat, wird er dir bestimmt nichts erzählen«, wandte Tracy ein. »Aber irgend etwas muß ich doch tun«, sagte Kim. »Weißt du irgend etwas über Marsha?« fragte Tracy. »Zum Beispiel wo sie wohnt, wo sie herkommt oder ob sie hier in der Gegend Familienangehörige hat?«
»Ich weiß fast gar nichts über sie«, gestand Kim. »Außer, daß sie neunundzwanzig
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