Toxin
wiederholen«, versicherte Devereau. »Wie Sie eben gehört haben, bereut Dr. Reggis seine überstürzten Aktionen zutiefst.« Der Richter rückte seine Brille zurecht und musterte Kim. Er mußte zugeben, daß der Mann einen zerknirschten und bemitleidenswerten Eindruck machte. Dann betrachtete er Tracy. Sie hatte ihn durch ihre Anwesenheit und ihre Aussage zugunsten ihres Ex-Mannes ziemlich beeindruckt.
»Okay«, wandte er sich an Devereau. »Ich lasse Ihren Mandanten gegen Kaution frei. Aber glauben Sie nicht, Herr Anwalt, daß Ihre schwulstigen Argumente mich umgestimmt haben. Vielmehr hat mich beeindruckt, daß Dr. Reggis’ frühere Ehefrau so freundlich war, vor diesem Gericht über den Charakter ihres Ex-Mannes auszusagen. Als Familienrichter habe ich schon einiges erlebt - aber ihre Aussage hat mich überzeugt. Ich setze die Kaution auf fünftausend Dollar fest. Die Verhandlung findet in vier Wochen statt. Nächster Fall!« Der Richter schlug mit dem Hammer auf den Tisch und nahm sich die nächste Akte vor.
»Entschuldigen Sie, Euer Ehren«, wandte Devereau ein. »Bei meinem Mandanten besteht keine Fluchtgefahr. Fünftausend Dollar Kaution erscheint mir ziemlich hoch.« Der Richter lugte über den Rand seiner Lesebrille und zog die Augenbrauen hoch. »Ich werde Ihnen zuliebe so tun, als hätte ich Ihre Bemerkung nicht gehört. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf, Herr Anwalt - treiben Sie’s nicht zu weit! Der nächste Fall bitte!«
Devereau zuckte mit den Achseln und schwieg. Er packte seine Sachen zusammen und bedeutete Kim und Tracy, ihm nach draußen zu folgen.
Mit Devereaus Hilfe war die Kaution schnell gestellt. Eine knappe halbe Stunde später verließen sie das Gerichtsgebäude und traten hinaus in den verhangenen Wintermorgen. Auf dem Treppenabsatz blieben sie stehen. Ein paar vereinzelte Schneeflocken wirbelten durch die Luft.
»Ich war mir anfangs gar nicht so sicher, ob der Richter dich auf Kaution freilassen würde«, sagte Devereau. »Du hast noch mal Schwein gehabt. Freu dich!«
»Unter den gegebenen Umständen fällt es mir ziemlich schwer, mich über irgend etwas zu freuen«, entgegnete Kim. »Aber trotzdem vielen Dank für deine Hilfe. Tut mir leid, daß ich dich an einem Sonntagmorgen stören mußte.«
»Hab’ ich doch gerne gemacht«, sagte Devereau. »Das mit Becky tut mir furchtbar leid. Mein aufrichtiges Beileid.« Kim und Tracy bedankten sich.
»Okay, ich mache mich dann auf den Weg.« Devereau berührte die Krempe seines Hutes. »Wir sehen uns. Ich hoffe, ihr übersteht diese schwere Zeit irgendwie.« Bevor er ging, drückte er Tracy ein Küßchen auf die Wange und schüttelte Kim die Hand. Nach ein paar Schritten blieb er stehen. »Noch ein Rat von einem alten Freund, Kim. Du solltest dich nicht noch einmal verhaften lassen. Beim nächsten Mal kriege ich dich garantiert nicht mehr frei. Wer in der Haftzelle Dauergast wird, fällt verständlicherweise unter eine besondere Kategorie.«
»Ist schon klar«, entgegnete Kim. »Ich passe auf.« Kim und Tracy sahen Justin Devereau hinterher, bis er außer Hörweite war. Dann wandten sie sich einander zu. »Ich würde jetzt gerne von dir erfahren, was wirklich passiert ist«, sagte Tracy.
»Was ich weiß, kann ich dir gerne erzählen«, entgegnete Kim lahm. »Aber als erstes muß ich mein Auto holen. Kannst du mich vielleicht zu Higgins und Hancock fahren?«
»Sicher«, erwiderte Tracy. »Damit hatte ich sowieso gerechnet.«
»Ich erzähle dir die Geschichte im Auto.« Sie überquerten die Straße und steuerten den Parkplatz an. »Ich fühle mich wie in einem Alptraum«, seufzte Kim. »Wir brauchen beide Hilfe«, entgegnete Tracy. »Das habe ich dir ja gestern abend schon gesagt. Vielleicht können wir uns gegenseitig stützen.«
Kim seufzte erneut. »Du hältst mich wahrscheinlich für verrückt, weil ich mich Hals über Kopf in den Kampf gegen die Kolibakterien stürze. Gerade ist unsere Tochter gestorben, und ich habe nichts Besseres zu tun, als durch die Gegend zu hetzen.« Er schüttelte den Kopf. »All die Jahre habe ich von mir behauptet, daß ich ein starker Kerl bin, doch jetzt muß ich einsehen, daß in Wahrheit du die Stärkere von uns beiden bist. Ich weiß, daß ich Beckys Tod nicht auf Dauer verdrängen kann, aber im Augenblick kann ich mich nicht darauf einlassen. Ich hoffe, du kannst halbwegs nachvollziehen, daß ich einfach noch nicht soweit bin.«
Tracy schwieg eine Weile. Dann legte sie Kim die Hand auf den
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