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Toxin

Toxin

Titel: Toxin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Operation hat sie die unmittelbare Krise wohl erst einmal überstanden.«
    Die Operation hatte nicht lange gedauert. Dr. O’Donnel hatte Kim berichtet, daß eine sorgfältige Dickdarmspülung die meiste Zeit in Anspruch genommen hatte. Sie sollte die Wahrscheinlichkeit einer Infektion verringern. Nach der Operation hatte Becky eine Weile im Aufwachraum gelegen und war dann auf ihre Station zurückgebracht worden. Kim hatte versucht, auf die Intensivstation zu gelangen, doch man hatte ihm erneut den Zutritt verwehrt.
    »Wie war das noch mal mit dieser Kolostomie?« fragte Tracy. »Hast du gesagt, der künstliche Darmausgang kann in ein paar Wochen wieder geschlossen werden?«
    »So ähnlich«, erwiderte Kim müde. »Wenn alles gutgeht.«
    »Becky war total geschockt«, erklärte Tracy. »Über den Schlauch in ihrer Nase natürlich auch. Und sie fühlt sich hintergangen, weil ihr vorher niemand etwas davon erzählt hat.«
    »Es ging nun mal nicht anders«, raunzte Kim. Er ging einen Schritt zurück und ließ sich auf einen Stuhl fallen. Die Ellbogen auf die harten Holzlehnen gestützt, vergrub er sein Gesicht in den Händen.
    Tracy starrte zu ihm hinüber und versuchte, die Situation einmal aus seiner Sicht zu betrachten. Aufgrund ihrer Erfahrung als Therapeutin konnte sie sich vorstellen, wie schwer es für ihn sein mußte, mit Beckys Krankheit fertig zu werden, und zwar nicht nur wegen seiner chirurgischen Ausbildung, sondern vor allem weil er so egozentrisch war. Auf einmal schmolz ihre Wut auf ihn dahin.
    »Kim«, rief sie leise. »Vielleicht solltest du wirklich besser nach Hause fahren. Ich glaube, du brauchst ein bißchen Abstand und Ruhe. Außerdem mußt du dich morgen um deine Patienten kümmern. Ich bleibe hier. Ich lasse meine Vorlesungen morgen ausfallen.«
    »Ich könnte sowieso nicht schlafen«, entgegnete Kim, ohne den Kopf zu heben. »Selbst wenn ich nach Hause führe. Ich weiß einfach zuviel.«
    Während Becky operiert worden war, hatte er in der Krankenhausbibliothek recherchiert, was sich hinter dem HUS verbarg, dem ominösen hämolytisch-urämischen Syndrom. Er hatte alles bestätigt gefunden, was Dr. Morgan ihm erzählt hatte. HUS konnte furchtbar enden. Er konnte nur noch hoffen, daß Becky an etwas anderem erkrankt war. Das Problem war aber, daß alle Symptome, unter denen sie litt, auf das furchtbare Syndrom hindeuteten.
    »So langsam beginne ich dich zu verstehen«, sagte Tracy mitleidig. »Es muß schlimm für dich sein, daß du Becky nicht helfen kannst.«
    Kim hob den Kopf und sah Tracy an. »Bitte verschon mich mit deinem Psycho-Gesabbel! Das kann ich jetzt am allerwenigsten ertragen!«
    »Nenn es, wie du willst«, entgegnete Tracy. »Mir ist jedenfalls gerade klar geworden, daß du wahrscheinlich zum ersten Mal im Leben vor einem Problem stehst, das du nicht durch deine Willenskraft oder dein Fachwissen lösen kannst. Und ich glaube, daß du deshalb besonders schwer unter Beckys Krankheit leidest.«
    »Leidest du etwa nicht?«
    »Doch, sehr sogar«, erwiderte Tracy. »Aber bei dir ist es anders. Ich glaube, du mußt im Augenblick zu Beckys Krankheit noch etwas anderes verarbeiten. Du siehst auf einmal neue Grenzen und Barrieren, die dich daran hindern, Becky zu helfen. Und dir das einzugestehen, fällt dir schwer.«
    Kim blinzelte. Er hatte das Psychologisieren seiner Ex-Frau schon immer gehaßt, aber er mußte zugeben, daß sie nicht ganz unrecht hatte.

 
     
    Kapitel 10
     
    Donnerstag, 22. Januar
     
    Kim war schließlich doch noch nach Hause gefahren, aber seine Befürchtungen hatten sich bewahrheitet: Er hatte kaum ein Auge zugetan. Als er dann endlich eingedöst war, hatten ihn schreckliche Träume geplagt. Mit den meisten konnte er nicht viel anfangen; unter anderem hatte er geträumt, daß man ihn im College wegen seiner schlechten Prüfungsergebnisse aufgezogen hatte. In dem furchtbarsten Alptraum aber war es um Becky gegangen, und dieser Traum war für ihn nicht schwer zu deuten. Becky war von einer Mole ins Meer gestürzt, und obwohl er selbst auf der Mole stand, bekam er sie einfach nicht zu fassen, sosehr er sich auch bemühte. Er war schweißgebadet aufgewacht.
    Auch wenn er nur wenig Schlaf bekommen hatte, hatte er die Zeit zu Hause wenigstens zum Rasieren und Duschen genutzt und zumindest sein äußeres Erscheinungsbild verbessert. Kurz nach fünf hatte er sich ins Auto gesetzt. Auf den ausgestorbenen Straßen lag eine dicke, matschige Schneeschicht. Im Krankenhaus

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