Tränen aus Gold
hastig zurück, als Gustav die Hacken zusammenschlug und sein gerades, zweischneidiges Rapier hob.
»So treffen wir uns wieder, Herr Seymour«, grüßte er von oben herab. Es war ihm nicht entgangen, daß Nikolaus Maxim erkannt hatte. »Gewiß wird es Herrn Hillert interessieren, wer unter dieser Verkleidung steckt. Er soll es von mir erfahren.« Mit selbstsicherem Grinsen schwang er die lange Klinge vor Maxim. »Ihr wart ein Narr, Euch des Mädchens wegen zu erkennen zu geben. Das bedeutet für Euch den sicheren Tod.«
Wieder klang Stahl auf Stahl, und Elise unterdrückte einen Schreckensschrei, als Maxim unter dem kraftvollen Angriff einen Schritt zurückwich. Die Hanseherren stießen einander schadenfroh an, während sie zurücktraten und einen Kreis bildeten, damit Gustav mehr Platz hatte und den Zweikampf bestimmen konnte. Neben seinen vielen anderen Talenten hatte er schon oft genug sein Geschick als Fechter bewiesen, so daß niemand daran zweifelte, daß er diesen dreisten Ostländer gebührend in die Schranken weisen würde.
Elise schlotterte vor Angst, als sie sah, daß Gustav dank seiner Stoß- und Hiebkraft Maxim allmählich in Bedrängnis brachte. Seine Klinge blockierte, parierte, griff an, aber es genügte nicht, um Gustavs heftiger Attacke zu widerstehen. Immer weiter drängte er Maxim zurück. Der Kreis der auf ein erregendes Spektakel erpichten Zuschauer war ständig in Bewegung, da man immer wieder ausweichen und Platz machen mußte.
Elise sah, wie Nikolaus Justins Arm ergriff und auf den Eingang deutete. Justin nahm ihre und die Mäntel der Ostländer vom Haken und begann sich durch das Gedränge zur Tür voranzukämpfen. Nikolaus hob den Kopf, fixierte die zwei Ostländer, die links und rechts von Elise standen, und machte eine Bewegung zur Tür hin. Elise verstand. Sie wollten mit ihr entfliehen.
»Nein«, stöhnte sie auf, als der eine ihren Arm packte. »Ich kann nicht ohne Maxim gehen.«
»Bitte«, hörte sie es direkt neben ihrem Ohr flüstern. »Wir müssen jetzt hinaus… Eurem Mann zuliebe.«
Elise brach in Schluchzen aus und setzte sich zur Wehr, als man sie fortzerren wollte. »Nein, ich kann ihn nicht verlassen!«
»Rasch, Elise! Mach, daß du fortkommst!« rief Maxim ihr über die Schulter zu.
Widerwillig fügte sich Elise.
Gustav, der immer mehr an Boden gewann, grinste selbstzufrieden. »Euer Liebchen mag gehen, Herr Seymour, aber sie entkommt mir nicht. Und Ihr auch nicht. Ihr seid am Ende.«
»Mag sein, Gustav. Aber vielleicht irrt Ihr Euch!« Ein Blick nach hinten zeigte ihm, daß Elise und ihre Begleiter die Tür fast erreicht hatten; da ging Maxim plötzlich mit einer Meisterschaft, die er bislang hatte vermissen lassen, zum Angriff über. Jetzt begnügte er sich nicht mehr mit Abwehr und Parade. Überraschung blitzte in Gustavs Augen auf, als dieser sich wiederholt zum Ausweichen gezwungen sah. Der erwachende Argwohn, daß sein Gegner mit ihm bislang nur gespielt hatte, beschleunigte seinen Puls. Seine Bewegungen wurden immer schneller. Ein Augenblick mangelnder Konzentration – und er spürte einen Schnitt auf der Wange.
»Gustav, eine Bagatelle. Keine Angst«, reizte ihn Maxim.
Elise, die an der Tür innehielt, sah verwundert die Wendung, die der Zweikampf genommen hatte. Nun war es Maxim, der mit seinem Gegner Katz und Maus spielte. Fast sah es aus, als wäre sein Rückzug von vorhin nur eine Finte gewesen, um ihnen zu ermöglichen, sicher an den Eingang zu gelangen. Sie selbst hatte dies im Gegensatz zu Nikolaus und den anderen nicht sofort erfasst.
»Ich muß Euch bitten mitzukommen«, hörte sie eine Stimme an ihrer Seite, gleichzeitig wurde sie am Arm gefaßt. »Lord Seymour würde nicht wollen, daß Ihr dies mit anseht.«
Nicht allein die Kälte ließ Elise frösteln, als sie ins Freie trat. Sie ahnte, daß Gustav den Zweikampf nicht überleben würde. Justin wartete bereits am unteren Ende der Treppe, nachdem er den dösenden Posten außer Gefecht gesetzt hatte. Hastig warf er ihr den Mantel über.
Im Inneren der Halle tobte der Kampf weiter. Schweiß glänzte auf Gustavs Stirn, als Maxims Waffe vor ihm in flirrender Bewegung verschwamm, seine Verteidigung immer häufiger durchbrach und ihm schmerzhafte Schnitte und Stiche zufügte. Schon war seine Kleidung blutdurchtränkt, und seine Kräfte erlahmten. Als sein Gegner sich zu einem Angriff vorbeugte, erspähte er eine Lücke in der Deckung, hob den Arm und schwang den Degen mit aller Kraft. Doch seine
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