Tränen aus Gold
ihm die Worte entgegen. »Aber du hast mich geliebt! Bist du vergangenes Jahr nicht gekommen, um mich entführen zu lassen?«
»Ja«, gab Maxim zu. »Meine Leute nahmen aber irrtümlich Elise mit.«
Befangen versuchte Arabella ihren Morgenmantel über der Brust enger zu raffen, denn Elises Nacktheit ließ sie die eigene Magerkeit, die in den letzten Monaten noch ausgeprägter geworden war, schmerzlich gewahr werden. An der blühenden Schönheit Elises war kein Makel zu finden, daher sah Arabella es mit Erleichterung, als diese sich jetzt hastig in einen Bademantel hüllte.
Dennoch war sie nicht gewillt, sich damit abzufinden, daß Maxims Liebe zu ihr Opfer eines dummen Irrtums geworden sein sollte. »Mir ist klar, was passierte, doch war ich sicher, du hättest deine Liebe zu mir bewahrt und wärst treu geblieben, anstatt dir diese… diese…«
»Arabella, hüte deine Zunge«, unterbrach sie Maxim. »Die Schuld liegt allein bei mir. Ich werde nicht dulden, daß du Elise beleidigst. Sie war an allem völlig unschuldig.«
»Unschuldig?« höhnte Arabella und trat wutentbrannt näher. »Mir scheint, die unschuldige kleine Schlampe ist dir sehr willig in dein Bett gefolgt!« Ihr Blick fiel auf seine breiten Schultern und glitt hinunter ins Wasser. Neben der vierschrötigen Derbheit ihres verstorbenen Gemahls war Maxim Seymour schön wie ein goldhäutiger Gott.
»Arabella, was immer du sehen magst, gehört schon Elise«, spottete Maxim, dem ihr bewundernder Blick nicht entging.
Diese Bemerkung brachte Arabella erst recht in Rage. »Sie ist eine Diebin! Sie hat meinen Platz eingenommen! Dazu hatte sie kein Recht!«
»Und welches Recht hast du, hier zu stehen und uns anzuklagen?« herrschte Maxim sie an. Er schnappte sich ein Handtuch, stemmte sich aus dem Wasser hoch und schlang das Tuch um seine Hüften.
Arabella starrte ihn verwirrt an. »Aber ich war deine Verlobte!«
»Wie rasch Ihr doch vergesst, Countess!« Ihren Titel spie er mit Verachtung aus. »Jetzt bist du Reland Huxfords Witwe. Durch die Ehe mit ihm hast du jedwede Verlobung zunichte gemacht. Einen Tag vielleicht hast du um mich getrauert, und nach einer Woche warst du einem anderen versprochen.«
»Dein angeblicher Tod war nur eine von vielen Heimsuchungen«, klagte Arabella. »Ich bin vom Unglück verfolgt. Alle meine Freier verlor ich durch tragische Ereignisse, und jetzt liegt mein Vater im Sterben.«
Maxim betrachtete sie nachdenklich, als sähe er sie plötzlich in einem neuen Licht. Immer wieder betonte sie die vielen Tragödien in ihrem Leben, neigte sie zu dramatischen Gefühlsausbrüchen, wenn ihre Umgebung Mitgefühl bekundete… dies alles hatte ihn immer schon abgestoßen. Wie oft hatte sie ihren Willen bei ihrem Vater durchgesetzt, indem sie Unwohlsein oder Depressionen vorschützte, von denen sie sich dann erstaunlich rasch wieder erholte…
»Arabella, ich werde den Verdacht nicht los, daß du diese Tragödien in Wahrheit genießt«, sagte er schließlich, »oder zumindest die Aufmerksamkeit, die du ihnen verdankst. Nie sah ich dich glücklicher als dann, wenn man dich aus Mitleid verwöhnte. Du leidest an einem sonderbaren Geltungsbedürfnis, doch ich bin nicht mehr gewillt, dieses Bedürfnis zu stillen.«
Als er Elise in die Arme nahm, bedachte er die erschütterte Arabella mit einem teilnahmslosen Blick. »Was immer uns verband, ist so tot wie deine Freier. Elise ist die einzige Frau, der ich Treue bis zum Tod gelobte, ein Schwur, den zu halten mir nicht schwerfallen wird. Sie wird die Mutter meiner Kinder sein, und ich werde sie jeden Tag meines Lebens in Ehren halten.«
Wie in Trance verließ Arabella den Raum und überließ es Maxim, die Tür hinter ihr zu schließen. Zu seiner Verwunderung merkte er, daß sie ihm auch jetzt noch leid tat. Arabellas Sehnsüchte galten Zielen, denen kein Mann gerecht werden konnte.
30
Der Frühling hatte das Land rings um Bradbury Hall mit einer Überfülle von Blumen geschmückt. Sie blühten in allen Gärten und säumten alle Wege. Elise befand sich nun schon sechs Tage in Bradbury und hatte sich immer noch nicht an der Schönheit satt gesehen. Obwohl das Haus nun auch Nikolaus, Justin und die Ritter Sherbourne und Kenneth beherbergte, fand sie allmorgendlich eine Stunde Zeit, um sich ein wenig im Garten zu betätigen. Zu diesem Zweck zog sie stets Röcke, Blusen und geschnürte Mieder an, die der schlichten bäuerlichen Kleidung nachempfunden waren. Breitkrempige Hüte, mit Bändern
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