Tränen aus Gold
Männer.«
Fitch gab sich geschlagen. »Sie ist unser Ruin! Wenn uns die Kaufleute nicht hängen, dann wird es Seine Lordschaft tun.«
Fitchs Zweifel erhielten neuen Auftrieb, als ihre Schutzbefohlene elegant gekleidet in ihrem blauen Gewand die Treppe herunterkam. Dazu trug sie einen passenden Mantel. Ihr brünettes Haar war in der Mitte gescheitelt und streng zu einem Nackenknoten zurückgekämmt, aus dem sich nur ein paar leicht gelockte Strähnen gelöst hatten. Sie sah aus wie die junge Herrin eines großen Hauses. Nichts erinnerte mehr an die schmutzige, schwer arbeitende Magd, die seit ihrer Ankunft mit ihnen gemeinsam geschleppt, geputzt, geschrubbt und geflickt hatte.
Der Ritt nach Hamburg erschien Elise diesmal nicht so beschwerlich wie beim ersten Mal. Vielleicht wurde ihre Stimmung auch durch die Aussicht gehoben, wieder in eine zivilisierte Umgebung und unter Menschen zu kommen. Zwar standen ihr gewaltige Verständigungsprobleme bevor, doch war sie ihrem Dasein als Gefangene vorübergehend entkommen, und wer konnte wissen, welche Fluchtmöglichkeiten sich in einer Hafenstadt anboten?
Noch ehe sie den Marktplatz erreichten, stieg Elise ein köstlicher Duft in die Nase, der aus einem nahen Gasthaus kam. Das Frühstück hatte ihrem Magen nicht gut getan, und er rumorte jetzt. Auch Fitch hob seine Nase und schnüffelte wie ein hungriger Jagdhund. Es bedurfte keiner Worte, das Trio lenkte die Pferde einmütig auf das Gasthaus zu. Nachdem sie abgesessen waren, steckten die zwei Männer die Köpfe zusammen und zählten ihre Münzen.
»Leider ist es wahr! Wir haben kaum genug, um bis zur Ankunft Seiner Lordschaft durchzukommen«, stellte Spence verärgert fest, nachdem er das Geld gezählt hatte. »Was musstest du auch soviel für diese Ruine verschleudern!«
Zornrot warf Fitch die Arme hoch. »Und wieviel hast du für diese lahmen Klepper ausgegeben? Du hast dich für dumm verkaufen lassen!«
Spence war schwer beleidigt. »Du hast es nötig! Hättest du darauf bestanden, daß Rubert uns das Haus gibt, das der Lord gemietet hat, dann hätten wir keine Pferde gebraucht. Einen Großteil des Geldes mußten wir für Vorräte ausgeben.«
»Das lasse ich mir nicht bieten!« Fitch deutete auf das Gasthaus. »Du führst die Lady hinein, und ich bleibe hier in der Kälte und kümmere mich um diese untauglichen Klepper!«
»Kommt nicht in Frage! Ich habe keine Lust, mir dann dein Jammern und Wehklagen anzuhören, daß ich mir den Wanst vollgeschlagen habe, während du in der Kälte hungern musstest.«
Die Männer waren so in ihren Streit vertieft, daß sie nicht bemerkten, wie Elise verschwand. Sie hatte die Masten von Segelschiffen am Ende der Straße erspäht und witterte eine Chance.
Ihre Hoffnung stieg, je mehr sie sich dem Kai näherte. Vorsichtshalber aber verlangsamte sie ihre Schritte und sah sich besorgt um, um nicht Kapitän von Reijn in die Arme zu laufen. Sie zog die Kapuze über, ohne das Interesse zu bemerken, daß sie unter Seeleuten und Händlern erregt hatte. Im Hafen ließen sich Frauen nur selten blicken, und wenn, dann nur, wenn sie zu Geld kommen wollten. Dieses Mädchen sah besonders verlockend aus: Sie war jung, schön und kostbar gekleidet. Diese da war nichts für gewöhnliche Seeleute, sondern nur etwas für Männer, die über entsprechende finanzielle Mittel verfügten.
Ein bejahrter, weißhaariger Kapitän, der in der Nähe stand, stieß einen Jüngeren an, um ihn auf das Mädchen aufmerksam zu machen. Seine eisblauen Augen wurden groß vor Staunen, dann aber blitzte es lustig in ihnen auf. Mit einer gemurmelten Entschuldigung ließ Nikolaus den Älteren stehen und drängte sich durch die Menge. Er hatte gehofft, die Erinnerung an ihre Schönheit verdrängen zu können, doch als er hinter ihr stehen blieb, stellte er verwundert fest, wie ihre Nähe seinen Puls beschleunigte. Er war ein Mann von vierunddreißig, doch nun fühlte er sich wie im Frühling einer Liebe.
Nikolaus zog den Hut, und sein heller Haarschopf kam zum Vorschein. »Nun, mein Fräulein«, sagte er ganz leise.
Elise fuhr herum und starrte ihn erschrocken an, fassungslos, daß ihr Glück sie so im Stich gelassen hatte. Ausgerechnet Kapitän von Reijn!
Mit schräggelegtem Kopf sah Nikolaus auf sie nieder, wobei ein Lächeln unmerklich um seine Lippen spielte. »Könnte es sein, daß Ihr Euren Bewachern entwischt seid und Euch nun nach einem möglichen Fluchtschiff umseht?«
»Ihr würdet mir ja doch nicht glauben,
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