Tränen aus Gold
Der verängstigte Fitch gab sich als erster geschlagen. »Es war die junge Herrin, Mylord. Sie ging auf uns los, weil wir sie in ihren Gemächern einsperrten und sie nicht rausließen.«
Maxim lachte auf. »Ach, Unsinn, da müßt ihr euch etwas Besseres einfallen lassen.« Daß die sanfte und stille Schönheit, die er kannte, soviel Temperament an den Tag gelegt hatte, erschien ihm unwahrscheinlich.
»Wirklich, Mylord, nachdem sie uns in Hamburg fast entwischt wäre, haben wir sie hierher zurückgebracht und ihre Tür abgeschlossen, damit sie nicht wieder davonläuft. So, wie sie sich gebärdet hat, glaubten wir schon, der Teufel ist in sie gefahren.«
»Sie hatte einen Wutanfall«, mischte sich nun Spence ein. »Sie beschimpfte uns und warf uns alles an den Kopf, was sie in die Hände bekam. Als Fitch ihr was zum Essen brachte, schlug sie ihm einen Scheit über die Rübe und versuchte wieder zu entwischen. Und dann ich, Sir… mir stieß sie die Finger in die Augen und knallte mir die Tür gegen den Kopf, als ich sie zurück in ihr Gemach schaffte. Sie wollte sich nicht wieder einschließen lassen.«
»Und die Lady? Wurde sie etwa dabei verletzt?« fragte Maxim besorgt.
»Nein, sie ist nur wütend«, versicherte Spence hastig.
Maxim war versucht, die Geschichte als wilde Übertreibung abzutun, wollte sich aber doch Gewissheit verschaffen. Diese Gewalttätigkeit paßte nicht zu der zarten Schönheit. »Ich will der Dame einen Besuch abstatten.« Damit durchquerte er die Halle und sprang die Stufen hinauf, zwei auf einmal nehmend, weil er es vor Neugierde kaum erwarten konnte. Im Oberstock lief er den Gang entlang und hielt vor der schweren Eichentür inne. Unmut stieg in ihm auf, als er den schweren Riegel sah, den man von außen angebracht hatte, so daß die Tür von innen nicht geöffnet werden konnte. Er klopfte leise an. »Mylady, seid Ihr angekleidet? Ich möchte mit Euch reden.«
Schweigen. Kein Ton. Als Maxim trotz wiederholter Fragen immer noch keine Antwort erhielt, hob er den Riegel und schob die Tür auf. Der Raum schien leer. Er trat ein und sah sich um.
»Arabella? Wo seid Ihr?«
Elise, die sich an die Wand hinter der Tür gedrückt hatte, um auf diesen Tölpel, der es wagte, ihr Gemach zu betreten, loszugehen, erstarrte, als die warme, erregende Stimme Erinnerungen an die Begegnung auf der dunklen Treppe von Bradbury Hall weckte. Jetzt trat sie aus ihrem Versteck und senkte den kleinen Kaminschemel, mit dem sie dem Eindringling über den Kopf hatte schlagen wollen. Auch wenn er jetzt gekleidet war wie ein Edelmann und keinen Bart mehr trug, so war nicht zu verkennen, daß er es war.
»Was zum Teufel…?« Eine tiefe Furche grub sich in seine Stirn, als er ihrer ansichtig wurde. »Was macht Ihr denn hier?«
»Ihr wart das also!« In den saphirblauen Augen blitzte es empört auf. »Ihr habt die beiden gedungen, damit sie mich entführen! Und die ganze Zeit dachte ich… aaach!«
Im nächsten Moment holte sie mit dem Schemel aus und schwang ihn mit der ganzen Kraft ihrer entfesselten Wut. Maxim wich geschickt aus und entriss ihr den Hocker.
»Wo ist Arabella?« fragte er barsch und sah sich um.
»Ach, Arabella also?« fragte Elise mit schneidender Stimme. Soso! Er hatte seine Leute losgeschickt, damit sie Arabella entführten, und die beiden hatten irrtümlich sie erwischt. Verächtlich verzog sie die Lippen, als sie fortfuhr: »Zweifellos befindet sich Arabella dort, wo es sich für ein gutes Weib geziemt… an der Seite ihres Gemahls… in England.«
»In England?« Maxim begriff schlagartig, was passiert war, und Wut stieg in ihm auf. »Wieso seid Ihr hier?«
Mit einer wegwerfenden Geste wies Elise auf die Tür. »Fragt doch Eure Männer. Die haben mich entführt.«
»Sie hätten Arabella herschaffen sollen«, stieß er schroff hervor. »Was treibt Ihr hier?«
»Ihr seid wohl schwer von Begriff!« schrie sie ihn an. »Versteht Ihr denn nicht? Wenn Ihr eine Antwort wollt, dann wendet Euch an Eure Helfershelfer. Diese Einfaltspinsel haben mich in Arabellas Schlafgemach überfallen und entführt.«
»Ich werde sie mit eigenen Händen erwürgen!« sagte Maxim zähneknirschend.
Damit machte er kehrt und stürmte hinaus. Seine Stimme donnerte durch den Gang, als er die Treppe hinunterlief. »Fitch, Spence! Verdammt, wo steckt ihr?«
Die beiden waren hinausgegangen und befanden sich gerade vor dem Eingangsportal, als sie seinen Ruf vernahmen. Hastig kamen sie zurück, um dem Marquis Rede
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