Tränen aus Gold
Betragen stellt für mich eine Enttäuschung dar… ich ließ Euch wissen, was Ihr alles während unserer Abwesenheit zu erledigen habt. Solltet Ihr den Anweisungen nicht nachkommen, müßt Ihr Euch anderswo nach Arbeit umsehen.«
Falls die Frau erwartete, der Marquis würde zu ihren Gunsten eingreifen, so erlebte sie eine herbe Enttäuschung. Maxim sagte dazu kein Wort, was sie als stillschweigendes Einverständnis ansah. »Wie Ihr wünscht«, sagte sie gekränkt.
»Dann verstehen wir uns«, erwiderte Elise anmutig. »Nur eine Sache bedarf noch der Klarstellung.«
Frau Hanz sah sie versteinert an. »Und das wäre?«
»Eure Manieren«, sagte Elise unumwunden.»Ihr habt abscheuliche Manieren.«
»Ich war immer bemüht, mich meiner Stellung entsprechend zu betragen. Es tut mir leid, wenn Ihr Anstoß genommen habt«, antwortete Frau Hanz mühsam beherrscht.
»Ich rate Euch, während unserer Abwesenheit Euer Benehmen zu überdenken. Wenn es Euch an Einsicht fehlen sollte, dann müssen wir Euch fortschicken«, sagte Elise unbeirrt.
»Wir?« Frau Hanz sah fragend zu Maxim. »Mylord, geschieht dies mit Eurem Einverständnis?«
»Natürlich«, bestätigte er.
»Nun gut!« Es klang wie das Kläffen eines Hundes. »Da mir keine andere Wahl bleibt, muß ich mich fügen.«
»Sieht so aus, Frau Hanz«, meinte Maxim trocken.
Die Haushälterin nickte. »Wenn das alles ist, werde ich jetzt wieder an meine Arbeit gehen… und mich nützlich machen.«
Frau Hanz ging wieder an ihre Arbeit, und gleich darauf ließ sie ihren Zorn an dem Koch aus, indem sie ihm im schärfsten Ton Anweisungen gab, die in Zurechtweisungen übergingen. Dietrich aber war nicht der Mann, der unsachliche Kritik vertrug. Der folgende Streit war von lautstarken Handgreiflichkeiten begleitet.
»Was habe ich da angestellt?« klagte Elise.
Maxim lachte. »Keine Angst, Dietrich weiß sich zu wehren.«
»Das hoffe ich.« Sie seufzte. »Am besten, ich ziehe mich jetzt zurück. Sonst lasse ich mich hinreißen und schicke diese Person morgen in aller Herrgottsfrühe nach Hamburg zurück.«
»Denkt nicht mehr an sie«, riet Maxim. »Während unserer Abwesenheit kann sie sich die Sache überlegen. Wenn sie sich bis dahin nicht gebessert hat, muß sie gehen.«
»Dann also, gute Nacht.« Elise sah lächelnd zu ihm auf.
Er erwies ihr mit einer formvollendeten Verbeugung die Ehre. »Möge Euch der Abend sanft in den Schlaf wiegen, schöne Maid.«
Wenig später fiel Elise mit verträumtem Lächeln ins Bett und schwelgte in Gedanken an Maxim. Ihre Träume waren erfüllt von Phantasiebildern, und immer wieder spürte sie sich von kraftvollen Armen umfangen. Ihr Herz schlug höher, wenn sie an das ekstatische Glück dachte, das ihrer harrte. Die Liebe hatte sich in ihr Leben gestohlen und hatte sie verwandelt, so daß sie niemals wieder dieselbe sein würde.
16
Lockere Flockenwirbel schwebten hernieder, blieben auf den ausladenden Ästen der hohen Nadelbäume liegen und überzogen Hügel und Täler mit einer weißen Decke. An einem plätschernden, halb zugefrorenen Bach hob eine Ricke ihre feuchte Nase und prüfte die Luft. Die langen Lauscher zuckten, als ein schwaches Geklingel aus der Ferne die Stille des frühen Morgens durchbrach. Die Glöckchen klangen silberhell durch den Wald und kündeten das Nahen von Fremden an. Ein lauter Ausruf und gedämpftes Hufgetrappel – und die Ricke setzte im Zickzackkurs zwischen den Bäumen davon. Kurz darauf kam ein Vierergespann mit einem Gefährt. Drei weitere Pferde waren an das hintere Ende des Prunkschlittens gebunden. Die blauen und rot gefütterten Kapuzenmäntel der aus sechs Mann bestehenden Eskorte brachten Farbe in die winterlichen Töne des Waldes. Ihre auffallende Aufmachung war typisch für Nikolaus von Reijns Geschmack.
Nikolaus machte sich an diesem Tag ein Vergnügen daraus, Elise gehörig zu beeindrucken. Er hatte das luxuriöse Gefährt eigens bauen lassen, damit die Reisenden die Fahrt in pompösem Stil zurücklegen konnten. Eine Kutsche, die vom Earl von Arundel einige Jahre zuvor nach England gebracht wurde, hatte ihm als ungefähres Vorbild gedient. Den Sommer über konnte das Fahrzeug mit großen Rädern ausgestattet werden, während die mit Eisen beschlagenen Schlittenkufen ein leichtes Gleiten über den Schnee und Eis gestatteten.
Das Innere hätte nicht prunkvoller sein können. Mit reichem Schnitzwerk versehene Läden konnten entweder, um die gute Luft der wärmeren Jahreszeit einzulassen,
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