Tränen der Lilie - Die Kristallinsel (Dreamtime-Saga) (German Edition)
Curry und Safranhühnchen duftende Schüssel mit einem sanften
Lächeln im Gesicht aufhob.
Mit feingliedrigen Schritten ging
er auf den Stadtpark zu. Dort ließ er sich im Yogasitz im Schatten eines
Kugelbaumes nieder und begann zu essen. Neugierig stellte Amy sich auf die
Zehenspitzen und flüsterte Michael zu:»Warum ist nur seine linke Schulter von
seiner Robe bedeckt?«
Nach einem vorsichtigen Blick auf
ihre Umgebung drückte er ihr einen schnellen, verstohlenen Kuss aufs Haar, bevor
er antwortete.
»Daran erkennt man, dass er im
nahegelegenem Wat zuhause ist. Die Mönche, die beide Schultern bedeckt halten,
sind auf der Wanderschaft und haben noch keinen festen Stammsitz in einem
Kloster. Komm, lass uns jetzt ein Taxi suchen.«
Seine Hand schloss sich wieder
fest um ihre Finger und er zog sie zum Ende des Bürgersteigs. Die stinkenden
Abgase der Autos stiegen als schmutziggrauer Smog in den kobaltblauen Himmel auf
und trieben Amy die Tränen in die Augen. Entsetzt starrte sie Michael an.
Bei dem enormen, wild
aneinanderschiebenden Verkehr und der Kamikazefahrweise einzelner
Motorradfahrer, kam die Überquerung der stark befahrenen Straße einem Abenteuer
mit ungewissem Ausgang gleich. Doch Michael wusste genau, was er tat.
Interessiert beobachtete er die
Straßenschranke, die sich genau jetzt - in diesem Moment - zu schließen begann.
Begleitet von dem schrillen Fahrradklingeln der bunten Rikshas und dem
ohrenbetäubenden Hupkonzert der unzähligen Autos, Busse und Motorräder davor.
Verschmitzt zwinkerte er Amy zu.
Dann schlang er einen Arm fest um ihre Taille und glitt mit ihr im Zickzack über
die vierspurige Straße. Kurz bevor sich die Schranke des Bahnübergangs ganz
schloss, duckten sie sich und schlüpften noch gerade soeben untendurch.
Lachend und schnaufend kamen sie
auf der anderen Seite zum Stehen. Nach kurzem Winken hielt ein Taxi vor ihnen.
Als Michael zu Amy auf den Rücksitz glitt und die Tür schloss, erstarb der Lärm
und machte einer göttlichen Stille Platz. »Hotel Mandarin Oriental«, wies er den
Chauffeur höflich an.
Voller Vorfreude sah Amy aus dem
Fenster.
Die Klimaanlage im Wageninneren
lief anscheinend auf Hochtouren und Michael bemerkte eine leichte Gänsehaut auf
ihren nackten Armen. Wortlos griff er nach der neben ihm auf dem Sitz stehende
Reisetasche und wühlte darin herum. Kurz darauf legte er Amy fürsorglich ihre
lindgrüne Strickjacke um die Schultern.
Dankbar lächelte sie ihn an und
formte ihren Mund zu einem Kuss. Danach sah sie wieder aus dem Fenster und
Michael folgte ihren staunenden Blicken über eine pulsierende Metropole, in der
sich gigantische, westlich anmutende verspiegelte Hochhäuser über kleine,
asiatische Häuser erhoben, die fast wie Spielzeughäuser aussahen.
Neben ihnen, auf dem Express
Highway, fuhren dichtgedrängt laut knatternde, bunt lackierte Tuk-Tuks vorbei.
Dreirädrige Motorroller mit einer Sitzbank in der überdachten, hinteren
Fahrgast-Kabine. Der gasbetriebene Tank befand sich zwischen den Hinterrädern
und verursachte neben einem entsetzlichen Gestank auch einen röhrenden
Höllenlärm, der bis ins Wageninnere drang.
Zwischen den Autos schlängelten
sich in gefährlichen Slalomkurven immer wieder unzählige Motorräder hindurch.
Amy schnappte erschrocken nach Luft, denn teilweise saßen hinten auf dem Sozius
zwei Kinder in Schuluniform eng an den Fahrer gepresst und ohne Helm auf ihren
kleinen Köpfen.
Michael, der in seinem
jahrhundertealten Leben als Geisterkrieger schon öfter in Asien war, kannte das
Gefühl, das er jetzt in dem Gesicht seiner geliebten Gefährtin las. Liebevoll
drückte er ihre Hand in seinem Schoss. Wohlwissend dass der Taxi-Chauffeur sie
ihm Rückspiegel beobachtete, vermied er jeden intimeren Anhauch von
Zärtlichkeit.
»Mein Liebling. Ich verspreche
dir, wenn ich im Ministerium fertig bin, dann werde ich dir hinterher das wahre
Bangkok zeigen. Das, was du jetzt fühlst, geht jedem Menschen so, der zum ersten
Mal die Stadt der Engel besucht. Man liest in all den Reiseführern von der
goldenen Stadt mit den unzähligen Tempeln und dann erstickt man bei der Ankunft
im Smog und dem Stau der Autobahn. Aber wenn du erst das richtige Bangkok
gesehen hast, wirst du es lieben. Mir ging es damals genauso.«
Die vorwurfsvollen Augen des
empörten Taxifahrers starrten ihnen aus dem Rückspiegel entgegen und
unterbrachen Michaels Ausführungen.
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