Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
böse und ging zum Ende der Terrasse, beugte sich über das
Holzgelände und kippte den letzten kläglichen Rest des Inhaltes
aus. Zwei Minuten später ließ sie ein empörtes Miauen wieder
herumfahren. Amy drehte sich erschrocken um und blickte in
den Garten hinunter. In der Alkoholpfütze stand - oder vielmehr
hüpfte - eine hellgraue Katze in die Luft. Ihr Schwanz ragte
steil in die Luft und ihr Fell war nach allen Seiten
aufgerichtet, als hätte sie einen Stromschlag bekommen.
Erbost fokussierte
sie Amy mit ihren gelb funkelnden Katzenaugen und begann sich
danach heftig zu schüttern. Die auslaufende Flüssigkeit, die
dabei aus ihren Mäulchen tropfte ließ Amy vermuten, dass sie an
der Pfütze geschleckt hatte.
»Tut mir leid
Mietze«, murmelte sie entschuldigend.
Die Katze maunzte
noch einmal empört und ließ sich dann in einem gebührenden
Sicherheitsabstand zur Pfütze nieder, um ihre Pfoten sauber zu
lecken.
Damit haben
dann wohl zwei Schnapsleichen. Achtzig prozentiger Rum schien
scheinbar auch den sieben Leben einer Katze schlecht zu
bekommen, dachte sie schuldbewusst.
»Mir ist
schlecht«, nuschelte Robert im Schaukelstuhl.
Amy wandte sich
wieder zu ihm um.
»Du kannst froh
sein, das es dir so schlecht geht, denn sonst würde ich dich
jetzt verprügeln«, rief sie ihm zu.
»Komm, mach dich
nicht so schwer und hilf mit, das wir dich ins Haus bekommen.«
Verzweifelt
kämpfte sie gegen seinen schweren und schlaffen Körper an und
versuchte ihm aufzuhelfen. Nach unzähligen Versuchen hatte sie
es endlich geschafft und er stand wankend an sie gelehnt. Seine
Arme pressten sich schwer in ihrem Nacken.
»Du bist so gut zu
mir«, hauchte er an ihrem Hals.
»Oh mein Gott.«
Amy wurde
kurzfristig schwindelig vor Augen, als Roberts
alkoholgeschwängerte Atem ihre Nase streifte und nur mit größter
Anstrengung wiederstand sie der Versuchung ihn auf den Boden
sinken zu lassen, die Tür von innen zu verschließen und so zu
tun, als ob keine Schnapsleiche auf den Stufen zu ihrem Haus
lag.
Als sie den
Schlüssel ins Schloss schob, lehnte Robert sich wie ein nasser
Sack an sie und riss sie damit fast zu Boden. Nur mühsam hielt
sie ihr Gleichgewicht und ahnte, dass sie es mit ihm zusammen
nie und nimmer die Treppen hinauf, in den ersten Stock schaffte,
wo sich ihr Schlafzimmer befand. Auch gut. Dann musste er eben
mit der Couch im Wohnzimmer vorliebnehmen. Zum dritten Mal an
diesem Abend ließ sie ihre Tasche zu Boden fallen. Dann
umschlang sie Robert mit beiden Armen und bugzierte ihn schwer
atmend den Korridor entlang in Richtung Gästebad.
»Mir ist so
schlecht«, jaulte er auf und drehte seinen Kopf dabei gefährlich
nahe an ihren Hals.
»Wage es ja nicht
mir in den Ausschnitt zu spucken, dann bist du ein toter Mann«,
drohte Amy ihm zwischen zusammengebissenen Zähnen.
Sie verlagerte
sein Gewicht ein wenig, stieß mit dem Fuß die Tür auf und machte
das Licht an. Eilig dirigierte sie ihn zur Toilette. Keine
Minute zu spät. Wankend ging er in die Knie und erbrach sich im
selben Augenblick. Amy ging zum Wandschrank und nahm frische
Handtücher heraus. Seufzend ließ sie das kalte Wasser laufen,
befeuchtete einen Waschlappen und versuchte dabei nicht auf die
stöhnenden Geräusche zu hören, die aus Roberts würgender Kehle
kamen.
Sie war noch immer
unendlich wütend auf ihn. Wie konnte ein erwachsener Mann sich
so gehen lassen? Ja, er hatte eindeutig Probleme. Aber die haben
andere Menschen auch. Und die wurden sicherlich nicht gelöst,
indem man sich Unmengen vom hochprozentigen Rum in Verbindung
mit Medikamenten einverleibte.
Verdrossen drehte
sie sich um und sah seinen gekrümmten Körper, der über die
Toilette gebeugt hing. Als sie sah, wie er sich quälte, schlug
ihre Wut sofort wieder in Mitleid um. Sie konnte ihn nicht
leiden sehen. Aufseufzend kniete sie sich neben ihn und wischte
ihm mit dem nassen Tuch über sein Gesicht und seinen Nacken.
Vorsichtig strich sie ihm seine verschwitzen Locken aus der
Stirn und streichelte beruhigend seinen Rücken. Dabei erschrak
sie zutiefst, denn sie konnte jede einzelne Rippe unter seinem
Hemd fühlen. Dass er so sehr abgemagert war, das hatte sie nicht
gewusst. Sein Körper vibrierte und er erbrach erneut einen
Schwall Flüssigkeit.
»Ich… kann… nicht
mehr…«, würgte er zwischendurch hervor.
»Oh
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