Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
sandfarbenen Seidenbluse. Amy saß mit dem Rücken
gegen einen Felsen gelehnt, ließ die Füße ins Wasser baumeln und
hing ihren Gedanken nach.
Seit Michaels
Weggehen fuhr sie nach Feierabend wieder öfters zum Mormon Lake
hinaus.
Das leise
Plätschern des Wasserlaufs und das fröhliche Zwitschern der
Vögel waren Balsam für ihre Seele und halfen Amy, die Probleme
wenigstens für eine kleine Weile zu vergessen. Ihr Blick
streifte die dunkelgrüne Wiese und verloren legte sie den Kopf
gegen den Felsen. Die Erinnerungen überkamen sie wieder und sie
dachte an den Tag zurück, an dem Michael sie zum ersten Mal
hierher entführte. Damals hatten sie sich einen hitzigen,
heftigen und vor allem emotionalen Schlagabtausch geliefert. Bis
Michael ihr endlich sein Geheimnis anvertraut und ihre
gefährliche Liebe akzeptiert hatte.
Unbewusst strich
sich Amy mit dem Finger über ihre Lippen und schloss die Augen.
Jetzt sah sie wieder Michaels Gesicht vor sich und fühlte seinen
sinnlichen Mund auf ihren, als er sie zum ersten Mal küsste und
seine Zunge federleicht über ihre Lippen glitt. Aufseufzend
blinzelte sie und sah durch ihre Wimpern hindurch zum Horizont
über den Bergen und fühlte sich unendlich verlassen.
Sie wusste, dass
Michael sie nicht hören konnte. Das hielt sie jedoch nicht davon
ab, mit aller Faser ihres Herzens an ihn zu denken, und ihm jede
Nacht in stummer Zwiesprache ihren Tag zu erzählen. Es war fast,
als wenn sie ihm einen Brief schrieb und ihn dann in ihren
Träumen in die Dimension entließ - in der Hoffnung, dass er
Michael erreichte. Sein Vater versicherte ihr zwar jeden Tag,
dass es Michael gut ging und trotzdem hatte sie große Angst um
ihn.
Milton stand in
regelmäßigen Kontakt mit den Dogianern, denn der weise Rat war
das einzige Verbindungsglied zwischen ihnen. Nur an sie konnte
Michael sich noch erinnern. Von ihnen nahm er seine Befehle
entgegen und nur sie wussten, wo er sich gerade aufhielt.
Unwillig öffnete Amy wieder die Augen und stand langsam auf. Es
war schon später Nachmittag und sie erinnerte sich daran, noch
in den Supermarkt zu fahren.
****
Zwei Stunden
später fuhr sie müde und geschafft, die leicht ansteigende
Auffahrt zu ihrem Bungalow in den Forrest Hills hoch. Beim
Aussteigen griff sie auf dem Beifahrersitz nach ihrer
Handtasche. Daraufhin löste sich der Henkel und der Inhalt flog
im hohen Bogen raus und ergoss sich auf dem staubigen Sandboden.
Frustriert stöhnte Amy auf. Das scheint heute mein
persönlicher Freitag der 13. zu sein , murmelte sie vor
sich hin.
Sie ging in die
Hocke und begann die Sachen wieder einzusammeln. Es dauerte eine
ganze Weile bis sie ihre Schlüssel zurückgefunden hatte, die
hinter dem vorderen Reifen hervor lugten. Aufstöhnend fischte
sie nach den Schlüsselbund und kam dann wieder in die Höhe.
Genervt schmiss sie die Wagentür zu und beschloss die
Einkaufstüten später rein zu tragen. Sie strich sich eine
verschwitze Haarsträhne aus der Stirn. Dann ging sie auf das
Haus zu und sah, dass jemand im Schaukelstuhl, auf der Terrasse
saß.
»Michael… ?« Amys
Herz setzte aus. Sie ließ ihre Tasche erneut in die staubige
Erde fallen und rannte, so schnell sie konnte, auf ihn zu.
Als sie ihn fast
erreicht hatte, erkannte sie ihren Irrtum und eine grenzenlose
Enttäuschung spiegelte sich auf ihrem Gesicht wider. Eine tiefe
Verzweiflung überflutete Amy. Sie schloss kurz Augen und
versuchte ihren Gefühlen wieder Herr zu werden.
Dann ging sie
aufseufzend auf ihn zu und betrachtete die Gestalt im
Schaukelstuhl.
Er lag mehr, als
das er im Stuhl saß. Seine Beine waren lang ausgestreckt, ein
Arm hing schlapp herunter, seine Haare fielen ihn wirr in die
Stirn und die dunklen Flecken auf den Knien seiner Jeanshose
verrieten ihr, das er auf den Weg hierher wohl schon gestürzt
war.
»Robert! Was zum
Teufel machst du hier?«
Stirnrunzelnd sah
sie auf seinen Schoss eine fast leere Flasche liegen, die er mit
seiner linken Hand fest umklammert hielt. Amy nahm sie ihn weg
und starrte fassungslos auf das Etikett.
»Du hast dir die
ganze Flache einverleibt… zusammen mit deinen Pillen?«, fragte
sie ungläubig.
Alkoholseelig
nickte er stolz.
»Bist du von allen
guten Geistern verlassen?«
»Jeap und auch von
den schlechten…“, soufflierte er trunken.
»Idiot«, murmelte
sie
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