Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
angehabt und es hätte von seiner Körpertemperatur
wollig warm sein müssen. Stattdessen hatte sie den Eindruck,
dass die Jacke direkt aus der Gefriertruhe kam. Entgeistert
starrte sie ihn an. Raha spürte ihre Unsicherheit und reagierte
instinktiv.
»Ich bin Metzger
und arbeite den ganzen Tag in kalten Kühlräumen. Mein Körper ist
darum immer etwas kältelastig. Ich hoffe, dass dich das nicht
stört. Wir haben übrigens noch gar nicht zusammen angestoßen.«
Reflexartig griff
er nach seinem Glas.
»Cheeers Rachel.«
Zaghaft stieß sie
mit ihm an und spürte dabei eine innere Beklemmung, die sie sich
nicht erklären konnte. Dann fiel ihr Blick auf seine Finger, die
sein Glas umschlossen und sie keuchte erschrocken auf. Raha
bemerkte ihren Blick und sofort krümmte er seine Finger zu einer
Faust. Verfluchte Hölle , dachte er. Mehr Fehler durfte
er sich auf keinen Fall mehr erlauben. Mit der Jacke wollte er
sie wärmen und hatte vergessen, dass seine Körpertemperatur nur
18 Grad betrug. Und um sie abzulenken, hatte er unbedacht zu
seinem Glas gegriffen und sie hatte erschüttert den kleinen
Finger seiner rechten Hand fokussiert, der doppelt so lang war,
wie seine anderen Finger.
Wie zur Hölle
sollte er ihr das erklären? Instinktiv ballte er seine Hand zur
Faust und überlegte angestrengt. Schließlich beute er sich vor
und hauchte ihr einen Kuss in den Nacken.
»Du musst dich
nicht erschrecken. Alle Männer in unserer Familie haben diesen
verlängerten Finger. Ich konnte mich am Anfang selber schlecht
damit abfinden. Bis mir meine Mutter das Geheimnis erklärte.
Vielleicht hast du es schon mal gesehen. Südliche Männer haben
an der linken Hand, am kleinen Finger, einen extrem langen
Nagel. Das bedeutet für sie das Zeichen eines Pachas, eines
Familienoberhauptes.«
Rachel nickte, ja
davon hatte sie schon mal wage etwas gehört.
»Siehst du und in
meiner Familie wächst gleich der ganze Finger, als Zeichen
unserer Macht«, flüsterte er ihr sinnlich ins Ohr.
»Hast du Lust
irgendwohin zu gehen, wo es ruhiger ist?«
Er sah ihr zu, wie
sie ihr Glas in einem Schluck leerte. Danach legte Rachel ihren
Kopf schief und dachte einen Moment nach. Ihr gefiel was sie
sah. Er wirkte auf eine subtile Art animalisch und arrogant.
»Einverstanden.«
Sie glitt vom
Barhocker und hakte sich bei ihm unter. In der Dunkelheit der
Straße konnte sie sein Gesicht nicht erkennen. Nur kurz, als sie
auf der River Brücke unter einer hellen Straßenlaterne
vorbeischlenderten, sah sie seine achatfarbenen Augen in der
Nacht aufblitzen. Raha bemerkte ihren nachdenklichen Blick und
reflexartig packte er ihre Hand, riss sie zu sich herum und
presste sie hart gegen das Brückengeländer. Seine Zeit für
Spielchen war erschöpft. Jetzt verspürte er einen brennenden
Hunger, den nur ihr Blut stillen konnte.
»Ich kann dich
noch böser machen«, hauchte er ihr ins Ohr.
Rachel hatte sich
von dem Schreck schon wieder erholt und kicherte.
»Unmöglich.«
»Oh doch. Zusammen
könnten wir ein unschlagbares satanisches Paar werden.«
Sie warf ihm einen
lauernden Blick zu.
»Genauso wie
Lilith und Luzifer?«
»Genau«,
antwortete er mit harter Stimme.
»Na dann zeig mir
wie das geht«, erwiderte sie provokativ. Das Spiel fing an ihr
zu gefallen.
Die letzten
Minuten ihres irdischen Lebens erlebte Rachel wie durch einen
Schleier. Erstaunt hob sie den Kopf und beobachtete, wie ihm
etwas aus dem Mund rann - ihr Blut- und dann spürte sie sein
Gift, das in heißen Wellen durch ihre Adern strömte. Plötzlich
überfiel sie eine entsetzliche Angst. Sie wollte wegrennen, weg
von ihm, so schnell sie konnte, aber ihre Beine sackten unter
ihr weg.
»Ich… will nach
Hause… Mummi… Rebecca… bitte…«
Rachels Stimme
wurde immer flacher - bis sie ganz verstummte und in eine tiefe
Dunkelheit eintauchte.
Raha hob sie hoch.
Er trug ihren leblosen Körper auf seinen Armen und hinein in die
Nacht.
****
In seiner Festung
angekommen, legte er sie auf sein Bett und wartete.
Spät in der Nacht
schlug sie die Augen auf und Raha lächelte diabolisch, als er
den harten achatfarbenen Schein ihrer Pupillen registrierte.
»Willkommen zu
Hause, Rachel.«, flüsterte er ihr zu.
Im Fluss des Vergessens
D er
warme Wind streifte ihren Körper und spielte sanft mit den
Ärmeln ihrer
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