Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
erstrahlte und dabei leicht vibrierte.
»Danke«, flüsterte sie.
Noch unsicher auf
den Beinen, ging sie in die Hocke und fühlte vorsichtig Roberts
Puls. Er war unregelmäßig, aber konstant. Zitternd strich sie
ihm die verschwitzten Haare aus der Stirn und beobachtete sein
gequältes Gesicht. Sie war ihm nicht böse, denn das was eben
passiert war, gab ihr einen erschreckenden Einblick, was Drogen
mit einem Menschen bewirken konnten.
Sie nahmen den
Menschen all seine Sinne und machten ihn zu einem Sklaven seiner
Süchte, für die Robert jetzt fast bereit gewesen war zu töten.
Aber sie wusste in ihrem Herzen, das er im wachen Zustand
niemals dazu in der Lage gewesen wäre. Völlig übermüdet setzte
Amy sich wieder in den Schaukelstuhl und wachte über ihm. Nach
einigen Stunden kam er am Fussboden wieder zu sich und statt der
Fieberschübe zitterte er jetzt am ganzen Körper.
Sie half Robert
hoch und legte ihn wieder ins Bett. Sein gesamter Körper
zitterte jetzt wie Espenlaub und Amy riss hastig den
Wäscheschrank auf und zerrte die dicke Wintersteppdecke heraus.
Behutsam deckte sie ihn damit zu. Doch das Zittern verstärkte
sich immer mehr. Verzweifelt starrte sie aus rotgeränderten und
übermüdeten Augen aus dem Fenster. Die Sonne stand schon hoch
über dem Zenit. Das bedeutete, dass sie schon mehr als zwanzig
Stunden gegen die verdammten Drogen gekämpft hatten. Zutiefst
erschöpft blickte sie wieder auf die bebende Bettdecke und
fasste einen Entschluss. Sie streifte ihre Schuhe von den
Füssen, hob die Steppdecke an, legte sich ins Bett und kuschelte
sich eng an seinen knochigen Körper. Vorsichtig glitt ihr Arm um
seinen Oberkörper und umarmte ihn sanft.
Es dauerte eine
ganze Weile, aber dann spürte sie irgendwann, wie sein Zittern
weniger wurde. Sein Körper schien auf ihre Körperwärme zu
reagieren und sie anzunehmen. Sie waren auf einen guten Weg,
dachte Amy, bevor sie von einer tiefen Erschöpfung übermannt
wurde und in einen kurzen traumlosen Schlaf abglitt.
****
Das Geräusch von
scheppernden Tellern drang in ihr Bewusstsein. Verschlafen
öffnete sie ihr Augen und starrte auf ihre Armbanduhr, zehn
Minuten nach fünf. Erschrocken richtete sie sich auf und blickte
auf Robert. Dieser lag leicht schnarchend auf der Seite. Ein
schmales Rinnsal aus Speichel lief ihm aus dem Mund, das ihr
anzeigte, dass er noch am Leben war. Erleichtert atmete sie auf
und stand dann leise auf. Völlig übermüdet ging sie ins
angrenzende Bad und putzte sich die Zähne. Danach begab sie sich
in die Küche, wo Emily sie sprachlos anstarrte.
»Hat du eine
interessante Nacht gehabt?«, fragte sie vorsichtig.«
»Ja, so ähnlich«,
erwiderte Amy und berichtete in kurzen Zügen, was mit Robert
passiert war. Emily war sprachlos.
»Warum hast du mir
das nicht schon eher erzählt«, fragte sie vorwurfsvoll.
»Ich hätte euch
helfen können. Du weißt doch, dass ich ehrenamtlich im
Drogenhilfsprojekt East mitarbeite. Du siehst übrigens
grauenvoll aus, meine Liebe. Leg dich hin. Ich werde in der
Zwischenzeit auf Robert aufpassen. Keine Wiederrede«, sprach sie
im energischen Ton und bugsierte Amy in Richtung Treppe.
****
Der Wecker
klingelte erbarmungslos und Amy starrte entsetzt auf das
Display. Sie hatte fast vier Stunden lang wie eine Tote
durchgeschlafen. Krampfhaft versuchte sie sich zu orientieren.
Und dann viel ihr alles siedend heiß wieder ein. Sie sprang aus
dem Bett und stürzte unter die Dusche. Nachdem sie sich die
Jeans und ein weißes T-Shirt übergestreift hatte, lief sie
schnell die Treppe runter und stürmte in die Küche. Emily war
gerade dabei einen neuen Kräutersud warm zu machen und blickte
Amy beruhigend über die Schulter hinweg an.
»Hallo du. Hast du
ein bisschen schlafen können«, fragte sie teilnahmsvoll. Amy
nickte ihr dankbar zu.
»Ich glaube ja.
Wie geht es Robert?«
Emily legte ihr
beruhigend eine Hand auf den Arm.
»Mach dir nicht so
viele Sorgen. Es geht ihm den Umständen entsprechend ziemlich
gut. Ich musste ihn ein paarmal bändigen, als er versuchen
wollte, das Fenster zu öffnen. Aber jetzt schläft er gerade
wieder. Willst du ihm den Tee bringen?«
Amy nickte und
nahm ihr dankbar das Tablett ab. Als sie leise das Gästezimmer
betrat, saß Robert aufrecht im Bett.
Er hatte sich das
Kissen in den Rücken gestopft und
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