Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
Bedächtig nahm er seine
Lesebrille ab und rieb sich müde über die Augen.
»Manchmal stoßen
wir an die Grenzen unserer Macht, Amy. Ich war den ganzen Tag im
Tempel. Die Dogianer haben mir eine Mitteilung übersandt -
Michael und der Igmu Tanka-Clan haben gestern Nacht die Eiswelt
entdeckt…“
Amy richtete sich
im Sessel auf und starrte ihn überrascht an.
»Was… wie geht es
ihm? Wo ist Michael jetzt?«
»Du musst dir
keine Sorge machen. Es geht ihm gut und sie sind alle in
Sicherheit. Michael hat das Vademekum gefunden und erfahren, was
die Läufer für Kräfte haben und wie sie ihre Opfer verwandeln.«
Milton erklärte
ihr in kurzen Zügen die Entstehung zwischen Anubis Totenwelt,
dem Erwachen Rahas und den Caniden und erzählte ihr dann, was
Michael noch herausgefunden hatte.
»Raha, seine
beiden Marionetten und die Läufer, haben alle ein besonderes
Merkmal. Ihr kleiner Finger an der rechten Hand ist fast doppelt
so lang wie normal. Darin verbergen sie einen Stachel. Scheinbar
haben sie immer versucht, die Hand zu verbergen, sodass niemand
dieses Merkmal erkannte.«
»Hat Michael das
in diesem Buch gelesen?«, flüsterte sie leise.
»Ja. Dort stand
auch beschrieben, in welchen Zustand sich die Läufer nach der
Verwandlung befinden. Wenn sie mit normalen Menschen in einem
Raum zusammen sind, dann kühlt die Zimmertemperatur sofort um
mehrere Grade ab. Und wenn sie an dir vorbeigehen, spürst du
einen eisigen Windzug, denn durch ihre Eisherzen ist ihre
Körpertemperatur auf 18 Grad heruntergefahren. Das meinte Gladys
damit, als sie sagte: Sie sind die wirklich kalten
Wesen dieser Welt . Durch ihre überirdische
Schönheit hypnotisieren sie den auserwählten Menschen und küssen
ihn – danach hat dieser keine Chance mehr und die Läufer beißen
ihnen in die Unterlippe.
Das Opfer
erschrickt sich im ersten Moment - aber da es anscheinend
nicht sehr wehtut, lassen sie sich weiter verzaubern. Das ist
der Moment, indem die Läufer den armen Seelen genau acht Tropfen
ihres Blutes aussaugen. Das ist ihr Lebenssaft, den sie
brauchen, um ihr kaltes und böses Herz am Leben zu erhalten. Nur
diese acht Bluttropfen hält ihr eigenes kaltes Herz am schlagen.
Ohne das verglühen sie binnen weniger Stunden. Wenn sie sich
durch das reine und bis dahin gute Blut gestärkt haben, erfolgt
die Verwandlung ihrer Opfer. Die Läufer fahren ihren Stachel aus
und stechen ihn mitten ins Herz. Damit geben sie ihr Gift ab und
das Opfer fällt danach für einige Minuten in einen Tiefschlaf.
Sie nennen das den Todestraumschlaf – Ndoto Uzingizi. Wenn die
Opfer daraus erwachen, dann sind auch sie Marionetten des Bösen.
Sie sind seine Läufer - Lakaien, die ihm sklavisch und
unterwürfig wie Hunde ergeben sind.
Amy hatte mit
angehaltenem Atem zugehört. Doch mehr als alles andere
interessierte sie, wie es Michael ergangen war und in welcher
Verfassung er sich jetzt befand. Milton spürte ihren Zwiespalt.
»Amy, mein Sohn
ist immer noch ohne sein Gedächtnis und das wird auch noch bis
zum Kampf so bleiben. Sonst gefährdet er unser aller Leben.
Sorge dich nicht, es wird alles gut werden. Wenn wir nur
herausfinden könnten, wie sie zu töten sind«, seufzte er
halblaut, bevor er in seiner Erzählung fortfuhr.
»Michael hat noch
etwas in den alten Aufzeichnungen gelesen. Raha ist noch
mächtiger, als wir bisher dachten. Er kann einzig getötet
werden, wenn seine beiden Brüder in seinem Körper mit ihm
zusammen vereinigt sind. Das vermeidet er natürlich bewusst. Und
noch etwas ist für uns wichtig: Seine gesamte linke Körperhälfte
ist giftig - die seiner Brüder nicht - aber wer steht vor uns?
Das wissen wir nie. Raha hat als einziger die Macht, mit seinem
Gift zu töten. Darum müssen wir uns im Kampf immer schützen und
keinen von ihnen erlauben, zu nahe an uns heranzukommen. Seine
Brüder und die Läufer können mit ihrem Stachel die Menschen nur
verwandeln, sodass diese seelenlos und böse werden. Sie werden
zu Baridi Moyo, zu erstarrten Seelen aus Eis.«
Amy hatte Milton
angespannt zugehört und dabei fieberhaft überlegt.
» Wie können
wir sie vernichten? Es muss doch irgendeine Lösung geben, oder
nicht?«, fragte sie unsicher.
»Das«, murmelte
Milton, »wissen wir leider immer noch nicht. Als Michael bei dem
Kapitel angekommen war, ging das Buch in Flammen auf und die
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