Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
aufbürden.
Jetzt war sie die
älteste Schwester und musste versuchen, wie Rachel zu denken.
Und ihren Eltern den Verlust ihrer ältesten Tochter so
einfühlsam wie möglich beizubringen, ohne ihre Herzen zu
brechen. Ben reichte ihr unauffällig ein Taschentuch und sie
nickte ihm dankbar zu.
»Meine Eltern… sie
würden eine erneute Tragödie nicht überleben und Rachels Tod,
ohne ihre Leiche, schon gar nicht. Ich glaube, wir sollten ihnen
erzählen, dass Rachel mit ihren neuesten Freund durchgebrannt
ist. Weil sie Angst hatte, bei den letzten Quartalsprüfungen
durchzufallen. Wir können vielleicht sagen, dass sie mir eine
Nachricht hinterlassen hat. Das wir uns keine Sorgen machen
sollen, und irgendwann wird sie sich wieder melden. Aber jetzt
genießt sie erst einmal eine Weltreise oder so… Dann haben meine
Eltern nicht das Gefühl versagt zu haben und können es besser
verkraften… hoffe ich.«
Amy, die sich an
Michael gelehnt hatte, lächelte unter Tränen. Michael umarmte
sie zärtlich und sah dann Rebecca an.
»Deine Eltern
können sehr stolz auf dich sein, Rebecca. Für dein Alter bist du
sehr, sehr reif und erwachsen. Ich denke, dass es eine sehr gute
Idee von dir ist. Wenn es für dich in Ordnung ist, dann wird
Milton heute Nachmittag mit deinen Eltern sprechen. Sie kennen
ihn ja noch von eurem Krankenhausaufenthalt und vertrauen ihm.«
Rebecca nickte.
»Ja. Das ist gut.
Ich glaube, dass Milton meine Eltern am besten darauf
vorbereiten kann.«
****
Nach dem Gespräch
im Tempel ging Rebecca in den Garten hinaus und Ben folgt ihr
langsam. Als er neben ihr stehenblieb, atmete er tief ein. Seine
Nasenwände blähten sich und er zog tief den Duft ihrer Gefühle
ein. Rebecca roch nach Verlust, nach einer tiefen Leere und nach
ganz viel Traurigkeit in ihrer Seele. Doch zum ersten Mal
seitdem er sie kannte, roch sie nicht nach Angst. Trotz diesem
furchtbaren Schicksalsschlag schien sie innerlich gewachsen zu
sein.
Erleichtert
seufzte Ben auf. Innerlich war er von der Angst besessen
gewesen, das sie einen erneuten Zusammenbruch bekam und alles,
was sie sich so mühsam erkämpft hatte, wieder verlieren würde.
»Was willst du
jetzt machen?«, fragte er teilnahmsvoll.
Rebecca zuckte die
Schultern.
»Ich weiß es
nicht. Heute möchte ich gerne alleine sein. Amy wird mich gleich
nach Hause fahren. Irgendwie habe ich das Bedürfnis meiner
Schwester einen Brief zu schreiben und ihr darin zu erzählen,
wie lieb ich sie habe und das ich ihr nicht böse bin. Vielleicht
kann sie meine Gefühle damit spüren… wo immer sie jetzt auch
ist.«
»Das kann sie.
Glaube mir, ich weiß es«, erwiderte Ben bekräftigend. »Das ist
eine sehr schöne Idee.«
Rebecca lächelte
ein bisschen.
»Ja und dann werde
ich den ganzen Abend noch lernen müssen. Morgen sind die letzten
Prüfungen vor den Ferien. Ben…?«
»Ja.«
Unvermittelt
stellte sie sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn sanft auf
dem Mund.
Er stand wie
erstarrt und wagte sich keinen Millimeter zu bewegen, um den
Zauber dieses Augenblicks nicht zu zerstören. Zärtlich strich
sie ihm über die Wange und eine zarte Röte erschien auf ihrem
Gesicht.
»Ben, mir ist seit
einiger Zeit schon klargeworden, dass sich meine Gefühle zu dir
verändert haben. Ich sehen in dir nicht mehr den Freund.«
Er warf ihr einen
erschrockenen Blich zu.
»Ich fühle… ich
glaube… ich glaube, ich habe mich zum ersten Mal in meinen Leben
verliebt… in dich«, flüsterte sie verlegen und man konnte hören,
wie Ben befreit ausatmete. Im ersten Moment hatte er mit etwas
Schlimmen gerechnet. Zärtlich nahm er ihre Hand.
»Das habe ich
schon vor langer Zeit. Vielleicht schon als ich dich im
Krankenhaus gesehen habe.«
Liebevoll strich
Ben ihr eine widerspenstige Locke hinters Ohr.
Rebecca lächelte
und sah ihn gleichzeitig ernst an.
»Trotzdem brauche
ich nach allem was mit meiner Schwester passiert ist, etwas
Zeit. Ich werde morgen mein Ticket buchen und versuchen,
nächsten Dienstag einen Platz für den Nachtflug nach Heathrow zu
bekommen. Zum Glück beginnen nächste Woche die Semesterferien.
Wahrscheinlich werde ich die gesamten zwölf Wochen bei meinen
Eltern in England bleiben. Ich denke, dass es uns allen helfen
wird, um die Situation zu verarbeiten. Und wir einen Weg finden…
ohne Rachel zu leben.«
Stockend
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