Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
die Welt
überrollen und sie schon bald komplett beherrschen. Ich bin auch
kein Unmensch. Ich werde deine Entscheidung, egal wie sie
ausfällt, akzeptieren.«
Er fuhr sich mit
der Hand durch sein rostrotes Haar und amüsierte sich köstlich
über seinen makaberen Witz. Als wenn er einen einzigen
zukünftigen Läufer schon jemals die Wahl gelassen hätte.
Selbstgefällig strich er über seinen langen Mantel, schnippte
ein imaginäres Staubkorn weg und begann sich dann in
Sekundenschnelle zu transformieren und aufzulösen. Sein
dämonisches Lachen hallte in den Grotten noch lange als
groteskes Echo wider.
Lanu war verwirrt
und gleichzeitig verstärkte sich das Brennen in seinen Herzen zu
einem heftigen und lodernden Flammenmeer.
Schmerzverzerrt
fiel er auf den Boden zurück und versank in einem Tiefschlaf der
Visionen. Das Gesicht von Raha erschien vor seinen Augen und
dann tauchte er ein, in den Abgrund eines grauenvollen
Schicksales.
****
Das Geräusch von
zerbrochenem Kristall durchschnitt die friedliche Stille in der
Küche. Suletu sah ihn an, schaute auf die Glasscherben am Boden
und begann zu kichern.
»Ich glaube dass
er das mit Absicht macht, um uns nicht länger beim Abtrocknen
helfen zu müssen.«
Mahu stellte die
abgewaschenen Teller auf die Spüle und lächelte nachsichtig.
»Michael, das war
das letzte schöne Weinglas von meinem Hochzeitsgeschirr, musste
das sein?«
»Michael …?« Einen
plötzlichen Instinkt folgend, drehte sie sich abrupt um und sah
ihren Sohn am Küchentresen stehen. Er hielt das Geschirrtuch
noch in seiner Hand, sah seine Mutter mit einem angespannten
Gesichtsausdruck an und wirkte gleichzeitig wie versteinert.
»Irgendetwas ist
mit Lanu geschehen… ich kann es spüren Mutter …« sagte er
fassungslos.
Mahu folgte ihn in
seinen Gedanken und erschrak auch zutiefst.
Suletu, die nicht
die Gabe hatte, Visionen zu empfangen, starrte ihn mit
angstgeweiteten Augen an.
»Was ist mit
meinem Bruder passiert? Sag es mir doch… bitte…«, heftig
schüttelte sie seinen Arm.
Michael sah sie
wie aus weiter Ferne an und wischte sich über die Stirn, als
versuchte er so die bösen Gedanken vertreiben zu können.
»Ich weiß es
nicht, Suletu. Doch ich fürchte, wir werden es schon sehr bald
erfahren…«
Sehnsucht
A my
legte den Hörer auf. Dann nahm sie unruhig ihren Kaffeebecher
und ging langsam zum Fenster. Nachdenklich sah sie dem
Schneetreiben draußen zu.
Seit zwei Tagen
schneite es nun schon. Den Garten mit den Kakteen und den
Felssteinen konnte man schon fast nicht mehr erkennen, alles war
von einem schneeweißen, glänzenden Teppich überzogen.
Flauschig und zart
wie Watte wehte der Wind die einzelnen Flocken durch die Luft,
ließ sie wie Pirouetten im Kreis auf und ab hüpfen, bevor sie
samtweich zu Boden schwebten und dort liegenblieben. Einige der
tanzenden Kristalle blieben an der vereisten Fensterscheibe
hängen. Die Tischlampe leuchtete sie an und so spiegelten sich
die Flocken in einem butterweichen, gelben Flaum in der
Abenddämmerung. Als die Haustür aufgerissen wurde, hörte Amy das
Aufheulen des Windes und gleichzeitig spürte sie die kalte
Zugluft, die zusammen mit Rachel reinkam.
Seit fünf Tagen
wohnte Rachel nun schon wieder hier. Nachdem ihr Psychologe
ihren Eltern bescheinigt hatte, das sie keine seelischen Schäden
durch den Vorfall erlitten hatte und damit durchaus in der Lage
war, ihr normales Leben im vollem Umfang wieder aufzunehmen.
Jetzt schmiss sie wie immer ihre Aktentasche in die nächstbeste
Ecke und stürmte in die Küche.
»Hey, ist es nicht
traumhaft schön da draußen, wie steht’s nachher mit einer
Schneeballschlacht, hast du Lust?«
»Ja, vielleicht.«
Nachdem sie sich
auch einen dampfenden Kaffee eingeschenkt hatte, trat sie neben
Amy.
»Was ist los, bist
du traurig?«
»Keine Ahnung wie
ich meine Gefühle beschreiben soll. Nutzlos, zu Tode betrübt,
Verfolgungswahn, zur Untätigkeit verdammt… irgendwas von allen,
würde ich sagen«, stieß Amy trübsinnig vor.
»Sorry, aber ich
habe eben mit Michael telefoniert. Angeblich hat er schon wieder
so viel Arbeit und kann nicht vorbeikommen. Das erzählt er mir
jetzt schon seit Wochen. Und egal was ich hier im Haus anfange,
verfolgt mich jeder, um mir die Arbeiten sofort abzunehmen.
Hoffentlich reisen sie bald
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