Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
wieder ab.«
Rachel betrachtete
sie nachdenklich, bevor sie vorsichtig versuchte, ihre Worte zu
formulieren.
»Amy, ich will dir
ja nicht zu nahe treten, aber hast du vielleicht mal daran
gedacht, dass dein Vater für alles, was hier in der letzten Zeit
passiert, verantwortlich ist? Er treibt Emilys Eltern dauernd
dazu an, um dir alle Arbeiten abzunehmen. Er bestimmt, welche
Freunde dich besuchen dürfen und welche nicht. Dein Vater hält
das normale Leben komplett von dir fern. Der einzige, der hier
permanent rumlungern darf, wie ein zugelaufener
streunender Hund, ist sein Liebling Steve. Egal wo du dich im
Haus aufhältst, da stolpert man automatisch auch über ihn.«
Rachel zuckte
entschuldigend mit den Schultern.
»Sorry, aber es
ist wirklich die Wahrheit. Dein Vater versucht dich zu
verhätscheln und dich von der Außenwelt
abzuschirmen, aus
welchem Grund auch immer. Obwohl das absolut nicht mehr nötig
ist. Deine Narbe ist fast verheilt und in sechs Wochen kannst du
schon wieder anfangen arbeiten. Wenn du meine ehrliche Meinung
zu diesen Thema hören willst: Ich denke, das dein Vater dich so
schnell wie möglich mit Steve verbandeln will und uns darum alle
fernhält, damit keiner seine Pläne durchkreuzten kann.
Vielleicht hält Michael sich ja wegen ihm fern.«
Amy blickte die
Freundin stirnrunzelnd an. Die gleichen Gedanken waren ihr auch
schon die ganzen Wochen durch den Kopf gespukt, aber sie
versuchte es immer mit seiner überfürsorglichen Liebe zu ihr
abzutun. Trotzdem verhielt sich ihr Vater unnatürlich.
»Denkst du, er hat
etwas zu Michael gesagt, was ihn verletzt haben könnte?«
»Meine Liebe, ich
habe keinen blassen Schimmer. Aber eines weiß ich, dass du hier
mal raus solltest. Ich muss gleich noch in die Stadt zur
Bibliothek fahren, um die neuen Studienbücher abzuholen. Hast du
Lust mitzukommen? Danach können wir vielleicht noch ins Kino
gehen«, sie lächelte Amy an und senkte verschwörerisch den Ton,
»und zwar nur wir zwei alleine.«
Amy begann über
das ganze Gesicht zu strahlen.
»Das ist seit
Tagen die beste Idee. Ich bin dabei.«
Unvermittelt
betrat Thomas in diesem Augenblick die Küche. »Wo bist du dabei
Liebes?«
Rachel starrte ihn
verblüfft an und wie immer kein Blatt vor dem Mund nehmend,
schoss sie ihre Frage ab.
»Professor, haben
sie etwa an der Tür gelauscht?«
Blitzartig drehte
er sich zu ihr um und warf ihr einen wütenden Blick zu.
»Nein, ich wollte mir einen Tee machen und musst du nicht für deine
Prüfungen lernen?«
Beunruhigt
betrachtete Amy ihren Vater. Langsam hatte sie seine
unnatürliche und irrationale Bevormundung satt.
»Dad, wir fahren
in die Stadt. Warte nicht mit dem Essen auf uns, wir gehen
später noch ins Kino.«
»Auf gar keinen
Fall, du musst dich doch noch schonen«, widersprach er mit
hektischem Unterton.
»Nein, muss ich
nicht. Und es ist meine Entscheidung. Ach und noch etwas -
Steve wird uns nicht begleiten, falls das deine Idee war.«
Mit diesen Worten
drehte sie sich um und stürmte aus der Küche. Zwanzig Minuten
später saßen sie im Auto und Rachel steuerte den Wagen
vorsichtig durch das immer heftiger werdende Schneetreiben, in
Richtung Downtown.
****
Michael stand im
Schatten der dunklen Häuserwand auf der gegenüberliegenden
Straßenseite und beobachtete sie durch das große Panoramafenster
der Pizzeria. Wie immer waren die beiden Freundinnen nach dem
Kino zu Fratelli, ihrem Lieblingsrestaurant gegangen.
Wehmütig
betrachtete er Amys geliebtes Gesicht. Drei unendlich lange
Wochen waren seit seinem Gespräch mit ihrem Vater vergangen und
er hatte verzweifelt versucht, sich an ihre Abmachung zu halten.
Obwohl Amy es ihm mit ihren täglichen liebevollen Anrufen nicht
gerade leicht gemacht hatte. Trotzdem war er standhaft geblieben
und nicht in ihre Nähe gekommen. Seine Augen blitzten zornig
auf. Nein, er hatte es nicht Thomas zuliebe getan. Er wollte Amy
damit nur die ureigene Chance einräumen, ihre Beziehung noch
einmal zu überdenken.
Sorgenvoll
erinnerte er sich wieder an seine Visionen von Lanu. Das Böse
würde sich schon bald wieder einen Weg auf die Erde bahnen. Er
hatte seit Tagen verstärkt Visionen davon und wollte Amy nicht
schon wieder damit hineinziehen. Nur aus dieser Angst heraus
hatte er sich von ihr zurückgezogen.
Aber die
übermächtige Liebe
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