Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
So fröhlich und ausgelassen hatte sie
ihn schon ewiger Zeit nicht mehr erlebt. Er konnte es nicht
lassen und versuchte den ganzen Nachmittag lang, sich ihr
körperlich zu nähern. In der stillen Zuversicht, dass Michael
sich zurzeit nicht in ihrer Nähe aufhielt, versuchte er sein
Glück erneut und wurde immer mutiger.
Erst nachdem Amy
ihm nach einer erneuten Attacke weggeschoben und ihn mit den
Worten: »Auch wenn Michael nicht hier ist, er sieht doch, was du
hier anstellst«, eingeschüchtert hatte, gab er endlich Ruhe.
Trotzdem fühlte Amy sich ihm weiterhin freundschaftlich
verbunden. Sie wusste ja, dass er es tief in seinen Herzen
eigentlich gar nicht ernst meinte und nur eine Schulter zum
anlehnen suchte. Ein Hupen durchbrach die winterliche Stille und
in der Auffahrt erschien ein roter Jeep. Amy begann zu strahlen
und lief los.
»Mahu, endlich.
Wir haben schon gestern auf dich gewartet.«
»Ich weiß«,
liebevoll küsste sie Amy auf die Stirn.
»Aber im
Krankenhaus gab es so viel zu tun. Es wird Zeit, dass du wieder
anfängst zu arbeiten, um uns zu helfen.«
Amy verzog bei
ihren Worten wehmütig das Gesicht.
»Bist du dir
sicher, dass Michael das überhaupt will? Er hat sich seit fast
einen Monat nur noch telefonisch bei mir gemeldet. Und dabei
hatte ich den Eindruck gehabt, dass seine klirrende Stimme die
eisige Winterkälte von draußen noch übertroffen hat. Langsam
glaube ich, dass er überhaupt kein Interesse mehr an mir hat.«
Bedrückt stopfte
sie die Hände in die Taschen ihres Parkas. Mahu streichelte
ihren Arm und blickte sie dabei liebevoll an.
»Amy Kimimala, so
etwas darfst du nicht einmal im Traum denken. Mein Sohn liebt
dich von ganzem Herzen. Es ist nicht immer alles so, wie es auf
den ersten Blick erscheint. Lass ihm Zeit. Das hast du doch
schon einmal getan, oder?«
Niedergeschlagen
nickte Amy.
»Hör mir zu. Es
ist etwas Außergewöhnliches und sehr Ernstes passiert. In
irgendeiner Weise, die wir alle noch nicht kennen, hat es etwas
mit Michael zu tun. Es hat etwas mit seinen Leben, mit der
ersten Welt der Gezeiten, zu tun. Mein Sohn hat Angst, dich nach
so kurzer Zeit schon wieder in so etwas mit reinzuziehen. Aber
du musst ihm vertrauen, bitte…« Mahu betrachtete sie noch einmal
mit einem zuversichtlichen Blick und machte sich dann daran,
diverse Einkaufstüten aus dem Kofferraum zu Tage zu befördern.
»Lass uns
reingehen, meine Füße sind schon halb erfroren. Ich bin nur
vorbeigekommen, um Rebecca und Ben abzuholen. Sie soll zum
Abendessen zu Hause sein. Übrigens habe ich dir Pitabrot
gebacken. Das isst du doch so gerne.«
»Na, da können wir
nur hoffen das Suletu dir nicht beim backen geholfen hat«,
feixte Ben und kam lachend auf sie zu. Mit einem Knall schmiss
er die Autotür zu und nahm seiner Mutter die Tüten ab.
Mahu stellte die
Vorräte in der Küche ab und rief Rebecca. Polternd und lachend
versammelten sich alle in der Diele und machten sich zum
Aufbruch bereit. Auch Rachel und Emily zogen ihre Parkas an. Auf
Amys fragenden Blick hin, kicherte Rachel.
»Ich habe ein
neues Date und der Typ hat einen sehr süßen, kleinen Bruder. Den
will ich Emily schmackhaft machen, damit sie auch die Freuden
des Lebens kennenlernt«, flüsterte sie verschwörerisch.
Thomas kam mit der
Zeitung in der Hand in die Halle und sah ihnen beim Abschied zu.
Ein kaum merkliches Aufatmen umspielte seinen Mund - doch dann
stutzte er unvermittelt. »Robert, sie ziehen ihre Jacke gar
nicht an. Sie wollen doch auch gehen, oder etwa nicht?«, fragte
er irritiert.
»Nein Dad, ich
habe ihn zum Abendessen eingeladen. Er liebt Mahus
selbstgebackenes Brot.«
Amy winkte den
Freunden zum Abschied zu und schloss danach eilig die Haustür,
um die eisige Kälte auszusperren. Frierend machte sie sich auf
den Weg in die Küche und bemerkte nicht den vernichtenden Blick
ihres Vaters, mit dem er Robert bedachte.
Robert setzte sich
an dem runden Holztisch und sah Amy dabei zu, wie sie die Eier
in die Pfanne schlug und das Bot in handliche Teile brach. Dabei
fiel eine Hälfte der Eierschalen zu Boden.
»Mist«, murmelte
sie, zog an der Küchenrolle und bückte sich nach unten, um das
Malheur zu beseitigen. Ein Aufschrei von der Tür her, ließ sie
erschreckt zusammenfahren.
»Amy, lass das. Du
darfst dich nicht anstrengen, lass das Steve tun. Er wird das
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