Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
so heiter
und ungezwungen erlebt.
Am späten
Nachmittag, nachdem sie ausgepackt und einen kleinen Imbiss zu
sich genommen hatten, spazierten sie in stiller Eintracht zum
See hinunter. Still hörte sie ihm zu, als Michael von seiner
tiefen Einsamkeit und von seinem Schmerz erzählte, nachdem er
sie verlassen hatte. Endlich konnte sie ihn verstehen und alles
begreifen.
»Ich habe mich nur
von dir ferngehalten, um dir die Chance zu geben. Ich habe es
nicht deinem Vater zum Gefallen getan, aber er hat mich in
meinen Gedanken bestärkt, nur darum bin ich gegangen. Als
du mir deine Liebe damals gegeben hast, da warst du noch nicht
verstrickt mit dem Abgrund des Bösen und auch nicht
lebensbedrohlich verletzt. Ich möchte nur, dass du genau weißt,
auf was du dich einlässt, wenn du dich für mich entscheidest.«
Amy streichelte
liebevoll sein Gesicht. Sie war so froh, dass er wieder an ihrer
Seite war. Sie musste nicht mehr überlegen, denn an ihren
Gefühlen hatte sie in den unendlich langen Wochen des Wartens,
niemals gezweifelt.
Zärtlich spielte
er mit einer ihrer langen Haarsträhnen.
»Du bist wirklich
der schönste Schmetterling der Welt, weißt du das?«
Leicht verlegen
lachte er auf, aber etwas musste er noch los werden.
»Wenn du dich auf
mich und meine Welt einlässt, dann musst du wissen, dass das
Böse niemals aufhört zu existieren. Es ist immer unter uns und
wird uns niemals in Ruhe lassen. Ernst blickte er ihr in die
Augen.
»Erinnerst du dich
noch an Lanu, dem Bruder von Suletu?«
»Ja«, erstaunt
nickte sie.
Michael starrte
einem Wildvogel nach, der erhaben über das Wasser flog, bevor er
zögernd weitersprach.
»Er war in den
vier Welten der Gezeiten wie ein Bruder für mich. Doch seit
einiger Zeit empfange ich Visionen, die etwas Schreckliches
ankündigen. Ich kann noch nicht sehen, was es ist«, er drehte
sich um und sah sie an.
»Aber es wird
etwas Grauenvolles auf die Erde kommen und ich kann nur hoffen,
dass wir Hüter der Lilien es besiegen können. Auch darum hatte
ich Angst, dich schon wieder in so etwas mit hinein zuziehen.«
Amy konnte seine
Ängste nachvollziehen und nahm seine Hand.
»Michael ich
verstehe das alles. Aber du kannst mich nicht bei jeder Gefahr
die mir droht, sofort wieder verlassen. Entweder führst du mich
durch die Gezeitenreise, sodass ich unverwundbar werde oder du
tötest mich. Denn noch einmal werde ich es nicht überstehen, das
du mich verlässt.« Michael nickte schuldbewusst.
In stiller
Eintracht gingen sie weiter und Amy bewunderte die unzähligen
Cliffrosen, die sich wie ein pink farbiger Teppich am seichten
Ufer entlang schlängelten.
Als der Wind
auffrischte, legte Michael wärmend den Arm um sie und warf einen
besorgten Blick zum Himmel.
»Wir sollten
langsam zurückgehen, über den Bergen brodelt sich ein Gewitter
zusammen.«
In diesem Moment
summte ihr Handy. Nach einem Blick auf das Display wusste Amy,
das sie ab sofort auf sich alleine gestellt war. Er hatte mit
sofortiger Wirkung alle Zahlungen und die Miete eingestellt.
Schwermütig seufzte sie auf, und stopfte das Handy wieder in die
Tasche ihres dicken Parkas.
»Dein Vater?«
»Ja«, flüsterte
sie tonlos. Sie waren im Schatten der Bäume stehen geblieben und
mitfühlend betrachtet er ihr trauriges Gesicht.
»Ich weiß nicht
was ich machen soll, was hättest du an meiner Stelle getan?«
Michael fuhr sich
mit der Hand durchs Haar und starrte in den sich immer tiefer
verdunkelnden Himmel. Für einen langen Augenblick blieb er
stumm. Er konnte ihr unmöglich erzählen, das Mahu in ihren
Visionen noch viel mehr von dem Abgrund gesehen hatte, an dem
ihr Vater sich zurzeit befand. Die Spielschulden erdrückten ihn,
dadurch wurde er bösartig und schlief kaum noch. Und durch sein
immer häufigeres Zuspätkommen in der Universität, musste er um
seinen Arbeitsplatz fürchten. Mahu hatte in den letzten Wochen
immer wieder versucht, auf ihn einzugehen und ihm ihre Hilfe
angeboten. Aber Thomas hatte sich schon so auf die Verkuppelung
von Amy mit Steve und den danach einsetzenden Reichtum
versteift, dass er niemand mehr an sich heranließ.
Michael sah sie
wieder an.
»Wenn du noch
nicht mit ihm reden kannst, dann ist das völlig in Ordnung, Amy.
Vielleicht müsst ihr euch beide ein wenig Zeit geben, um über
das Geschehene hinwegzukommen. Aber
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