Tränen der Lilie - Seelen aus Eis (Bianca Balcaen: Geisterkrieger-Serie) (German Edition)
schnellte seine Hand vor und riss Amy seitwärts zu
Boden. Ihr Körper prallte gegen den Nachttisch, das Wasserglas
darauf klirrte zu Boden und zersprang in tausend Teile.
Als sie fiel,
spürte sie, wie die Glasscherben langsam ihren Unterarm
durchbohrten. Wie durch einem Nebel beobachtete sie, wie das
Monster etwas ausfuhr und blitzschnell in Gladys Herz stieß.
Für eine winzige
Sekunde konnte Amy zum letzten Mal ihre Gedanken in sich spüren.
Kimimala! Lass
es nicht zu, das das Böse über die Welt siegt… ihr müsst das
Vademecum der satanischen Verse finden… dort steht
geschrieben, wie ihr sie vernichten und besiegen könnt…
Dann erlosch ihr
Blick und Gladys Gedanken verstummten für immer.
Amy spürte ein
Schluchzen, das aus der Tiefe ihres Herzen in ihr Bewusstsein
drang und kämpfte verzweifelt mit den Tränen. Unterdessen hatte
Michael sich in seinen Angreifer verbissen, dieser stieß einen
Schrei des Schmerzes aus und sank leblos zu Boden.
Erleichtert und in
der Hoffnung dass er Tod war, ließ Michael von ihm ab und wandte
sich Amy zu. Doch in diesem einen - einzigen -
unbeobachteten Moment schien der Körper wieder zum Leben zu
erwachen. Er erhob sich schemenhaft von Boden und löste sich
flackernd auf.
Auch der Schatten,
mit dem Milton rang, löste sich jetzt sekundenschnell auf und
war von der einen Minute zur anderen verschwunden. Amy stand
leicht schwankend auf und beugte sich über Gladys leblosen und
toten Körper. Ein Würggefühl entrang sich ihrer Kehle und sie
verspürte das Gefühl laut los zu weinen.
Schemenhaft fühlte
sie Michaels mitfühlende Augen auf sich gerichtet und versuchte
verzweifelt ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Sie wollte
auf keinen Fall, dass er seine Zeit verschwendete, sich um sie
zu sorgen.
****
Milton hielt ihren
Unterarm in einem festen Griff und zog unter der großen
Lupenlampe mit einer Pinzette die einzelnen Glassplitter aus der
Wunde. Amy beobachtete ihn freudlos dabei.
»Es scheint
langsam zu einer lästigen Angewohnheit zu werden, dass du mich
andauernd zusammenflicken musst.«
Er arbeitete mit
ruhigen Bewegungen weiter.
»Weist du«,
erwiderte er, »für eine menschliche Seele hast du erstaunlichen
Mut. Ich bewundere dich, dass du unsere Welt so bedingungslos
akzeptierst.«
Geschickt zog er
einen Faden durch die Nadel und begann ihre Wunde mit wenigen
und gekonnten Stichen zu nähen. Als er zum Schluss die Fäden
abschnitt, begann er mit einfühlsamer Stimme weiterzusprechen.
»Ich bin nicht
sehr gewandt in der menschlichen Sprache, Amy. Ich habe viele
Jahrhunderte als Gestaltwandler alleine gelebt, bis ich Mahu
begegnet bin. Sie hat es geschafft, meine menschliche Seite
wieder zum Vorschein zu bringen. Durch sie bin ich in der Lage
echtes Gefühl zu spüren. Ohne sie erscheint mir mein Dasein
sinnlos und nicht relevant. Und genau das spüre ich auch
zwischen euch beiden.«
»Ja«, murmelte Amy
verdrossen, »aber ich bereite euch andauernd Unannehmlichkeiten
durch meine Verletzungen. Ich hoffe bei Gott, wenn du mich
morgen durch den Herzscanner schiebst, dass alles in Ordnung ist
und ich dann endlich die Reise der Gezeiten antreten kann.«
»So ungeduldig?«,
fragte Milton und betrachtete sie lachend.
»Ja… - nein…,
verdammt Milton. Du bist Arzt und ich muss mich bei dir nicht
verstellen. Er geht mir nicht nur um den körperlichen
Aspekt. Ich will auch, dass Michael sich nicht andauernd um mich
sorgen muss.«
Nervös strich sie
sich eine lange Haarsträhne aus dem Gesicht und bemerkte dass
Milton sie interessiert betrachtete und sich ein Grinsen kaum
noch verkneifen konnte.
»Was ist daran so
komisch?«, fragte sie misstrauisch.
»Meine Tochter.
Wie du richtig bemerkt hast, bin ich tatsächlich Arzt und darum
sind mir die menschlichen Gefühle keineswegs fremd. Das du dich
mit zweiundzwanzig Jahren nach der körperlichen Liebe sehnst,
ist das normalste von der Welt. Ich denke, wenn morgen die
Untersuchungen zu unserer Zufriedenheit verlaufen, dann können
wir bald mit der Trance beginnen. Sofern wir keine
Komplikationen durch das Böse bekommen.«
Die Tür öffnete
sich und Michael betrat angespannt den Raum. Zärtlich drückte er
einen Kuss auf Amys Haar und betrachtete danach reumütig ihre
Schnittwunde.
»Das tut mir so
leid, ich wollte dich nur vor ihm beschützen«,
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