Tränen des Mondes
schlicht.
»Danke. Die Arbeiter im Lager waren sehr nett zu mir.«
»Sie halten eine Menge von Ihnen. Conrad haben sie respektiert, aber für Sie empfinden sie etwas Besonderes. Das ist Ihnen sicher bewußt.«
»Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht, aber ich war sehr gerührt von der Anteilnahme, die sie mir heute morgen entgegenbrachten.« Sie machte sich am Aktenschrank zu schaffen, um sich an irgend etwas festzuhalten. Der Morgen hatte sie mehr aufgewühlt, als sie erwartet hatte.
Während sie mit den Akten hantierte, sagte Tyndall unvermutet: »Ich habe Kaufverhandlungen für einen neuen Logger aufgenommen.«
Olivia schnellte herum. »Ein neuer Logger! Wir hatten doch noch gar keine Gelegenheit, über künftige Unternehmungen zu sprechen. Handeln Sie nicht ein wenig vorschnell?«
»Vorschnell, aber klug. Es ist ein guter Handel, das Leben und die Geschäfte müssen weitergehen, Olivia. Wir müssen einen neuen Kurs steuern. Setzen Sie sich, ich werde Sie ins Bild setzen.«
Olivia tat, wie ihr geheißen, und machte sich Notizen, während Tyndall ihr seine Pläne erläuterte. Einen neuen Kurs steuern bedeutete für ihn, volle Kraft voraus mit Wind von achtern.
»Ich habe Yoshi das Kommando übertragen und einen seiner Verwandten als Ersten Taucher für die
Annabella
angeheuert. Yoshi wird dann beides sein, Taucher und Schiffskommandant.«
»Das ist eine gute Idee. Er hat sich als tüchtiger und zuverlässiger Arbeiter erwiesen.«
»Bis jetzt. Einige der anderen Kapitäne halten mich für verrückt. Man kann den Japsen nicht trauen, meinen sie. Angeblich stehlen sie die guten Perlen und verkaufen sie weiter. Das brächte der Job so mit sich, behaupten sie.«
»Haben Sie und Ahmed Vertrauen in Yoshi?«
»Absolut.«
»Dann gebe ich Ihnen meine volle Unterstützung.« Olivia legte den Bleistift hin und lehnte sich zurück. »Was meine Zukunft angeht, will ich Ihnen folgendes sagen. Ich habe vor, in Broome zu bleiben und mich aktiv am Geschäft zu beteiligen. Ich werde Conrads Arbeit übernehmen und möchte vor allem seine Pläne umsetzen, das Geschäft weiter auszubauen. Es ist viel Geld mit der Versorgung der Logger auf See zu machen.«
Tyndall lächelte. »Ich hatte sehr gehofft, daß Sie zu dieser Einstellung kommen würden. Sie werden es nicht leicht haben, so allein, aber ich werde Sie nach Kräften unterstützen, das wissen Sie, Olivia«, sagte er herzlich.
»Danke, John. Danke auch, daß Sie so hart mit mir ins Gericht gegangen sind. Was Sie gesagt haben, war nicht besonders nett, aber genau das richtige, um mich anzuspornen.«
Wenige Tage später ließ Tyndall Olivia ausrichten, sie möge mit Hamish zum
Streeter's Jetty
kommen. Zu ihrer Überraschung fand Olivia die gesamte Mannschaft ihrer Logger einschließlich Ahmed, Yoshi und Taki auf dem Anleger versammelt. Sie wurde herzlich begrüßt, und Hamish lief gleich zu Ahmed, der ihn auf den Arm nahm und herzte.
»Nanu, was gibt's denn, John?« fragte Olivia.
»Der neue Logger. Wir dachten, Hamish würde ihn gern taufen. Wir haben auch schon eine Flasche Champagner vorbereitet. Er braucht bloß noch das Tau loszulassen.«
»Eine wunderbare Idee!« Olivia schob sich durch die Gruppe am Anleger und stand vor dem Bug des frisch gestrichenen Loggers.
Auf dem weißen Rumpf prangte in schwarzen Lettern der Name des Schiffes –
CONRAD
.
Olivia bekam feuchte Augen.
»Hoffentlich sind Sie einverstanden«, sagte Tyndall leise. »Was halten Sie davon, wenn Sie und Hamish nach der Schiffstaufe mit mir eine kleine Probefahrt in der Bucht machen würden?«
Olivia rang nach Worten. »Das würde uns sehr gefallen.«
Hamish quietsche vor Vergnügen, als er mit Ahmed am Steuer des Vierzigfuß-Loggers stand und der Logger sich im Wind auf die Seite legte. Die Wellen brachen sich an den Bordplanken und schwappten zur Freude des Kleinen manchmal bis an Deck. Olivia hatte das Schiff genau inspiziert, von dem Luftkompressor für die Taucher über die Laderäume für die Muscheln bis hin zu den zwei Wassertanks, die beide 200 Gallonen faßten. Im Vorderschiff befand sich das Logis für die Kupangermannschaft. Die Besatzung bestand zu gleichen Teilen aus Japanern und Kupangern, und mit diesem System fuhren sie gut und sicher. Es war schon oft genug vorgekommen, daß Mannschaften einer Nationalität sich gegen den Kapitän verschworen, um zu meutern oder Perlen zu stehlen. Oder die Kapitäne waren ›bei Sturm über Bord gegangen‹. Die
Conrad
war ein
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