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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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zwischen zwei Korallenbänken. Er deutete auf einen Grat, und als sie verständnislos den Kopf schüttelte, hob er eine große Perlmuschel auf. Plötzlich entdeckte Olivia auch die anderen, deren einfache Tarnung sie nun durchschaut hatte. Sie sammelten ein halbes Dutzend vom Boden auf, dann deutete Olivia in die Korallen hinein und machte eine fragende Geste. Tyndall spähte an die Stelle, auf die sie zeigte, griff dann mit seiner behandschuhten Hand hinein und tastete nach jenem Ding, das eine in den Korallen festsitzende Perlmuschel sein konnte. Sie lag gut verborgen und ließ sich schwer lösen, er mühte sich ab und wollte schon aufgeben, als auch Olivia mit der Hand zwischen die Korallen fuhr. Gemeinsam zerrten sie die Muschel heraus. Tyndall drehte und wendete sie in seinen Händen: Sie war sehr groß, schwer und von dicken Krusten überzogen. Er steckte sie in den Korb und deutete nach oben. Sie ruckten an ihren Seilen und gaben das Signal zum Hochziehen.
     
    Erst nachdem sie gegessen hatten und weit aus der Bucht hinausgesegelt waren, um für die Nacht zu ankern, öffneten Tyndall und Ahmed die Muscheln. Eine enthielt eine vollkommen runde, aber winzige Perle. Trotzdem brach Olivia in Jubelschreie aus. Dann öffnete Tyndall die große Muschel, die er der Mannschaft als ›Olivias Muschel‹ präsentierte.
    Sie leistete großen Widerstand, die kräftigen Muskeln hielten die Schalen fest zusammen. Tyndall bohrte mit dem Messer, bis es endlich hineinfuhr und die Schalen auseinanderklappten. Sogar ohne das Fleisch zu entfernen, konnten sie den Schimmer einer dicken runden Perle sehen.
    Olivia kauerte neben Tyndall auf dem Boden und beugte sich vor. »Da ist mehr als eine drin«, hauchte sie, und die Männer versammelten sich um sie und hielten die Laterne näher.
    Vorsichtig schabte Tyndall das Fleisch weg.
    Den Anwesenden entfuhr ein gemeinsamer Seufzer, als sie auf einer der Schalen sieben dicke runde Perlen erblickten. Jede Perle für sich allein würde einen guten Preis erzielen, der Anlaß für das ehrfürchtige Murmeln der Mannschaft war jedoch ihre Anordnung. Die sieben Perlen vereinten sich zu einem Stern.
    Olivia und Tyndall staunten fassungslos.
    »Mein Gott, das ist ja phantastisch!« Tyndalls Hand zitterte leicht, als er die Muschelschale betrachtete und in alle Richtungen drehte, damit sie das Laternenlicht aus verschiedenen Winkeln einfangen konnte.
    »Die ist ein Vermögen wert«, flüsterte Olivia andächtig, und hinter ihr erhob sich unter der Mannschaft ein wildes Geplapper auf japanisch und malaiisch. Ahmed dankte Allah in einem stummen Gebet.
    »Die größten Perlenkäufer der Welt werden sich diesen Schatz aus den Händen reißen«, stieß Tyndall mit rauher Stimme hervor.
    »Natürlich müssen wir diese Muschel ›Star of the Sea‹ nennen. Ist es nicht komisch, daß die Form der Perlen so gut zum Namen unseres Unternehmens paßt?« fragte Olivia. In ihrer Stimme schwang immer noch die Ehrfurcht mit, die alle vor diesem einzigartigen Perlenfund empfunden hatten. »Irgendwie gespenstisch.«
    »Wenn man genauer darüber nachdenkt, war alles, was zu diesem Fund geführt hat, reichlich seltsam«, erwiderte Tyndall. Zum ersten Mal, seit Tyndall die Muschel geöffnet hatte, begegneten sich ihre Augen. »Das wird unser Leben verändern, Olivia.«
    Sie nickte in stummem Einverständnis, dann starrten beide wieder auf die Muschel, überwältigt von ihrer Schönheit.

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    Fünfzehntes Kapitel
    M aya vermißte ihre Mutter immer noch. Die Frauen hatten ihr gesagt, daß Niah zu ihren Ahnen gegangen wäre und oben bei den Sternen mit ihnen lebte. Sie würde auf Maya aufpassen und immer bei ihr sein, auch wenn Maya sie nicht sehen konnte.
    »Manchmal, wenn Wind kommt und durch deine Haare bläst und dein Gesicht streift, ist das, wie wenn deine Mammi dich streichelt. Wenn du gut zu essen hast und sauberes Wasser findest zum Trinken, ist das, wie wenn deine Mammi dir zu essen und zu trinken gibt.«
    Maya bemühte sich, diese abstrakten Gedanken zu begreifen, sie vermißte die singende Stimme, die Umarmungen und den süßen Duft ihrer Mutter.
    Auch ihren Vater vermißte sie. Sein Lachen, seine Scherze und die vielen Stunden, die sie gemeinsam ›draußen in der Welt‹ verbracht hatten. Ihre Mutter hatte hier in den Busch gehört, ihr Vater gehörte in eine andere Welt. Sie erinnerte sich an die Geräusche und den Geruch in den Muschelschuppen, sah sich wieder an Deck eines am Strand liegenden Loggers

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