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Tränen des Mondes

Tränen des Mondes

Titel: Tränen des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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Klingen brachte, was er längst verstummt geglaubt hatte. Er ertappte sich dabei, daß er sich mehr als gebührlich auf die Treffen mit ihr freute, und fand immer neue Ausreden, damit er Zeit bei ihr im Heim verbringen konnte.
    Olivia fühlte sich ausgefüllt und nützlich, die anregende Arbeit lenkte sie von Tyndall und Broome ab. Honoriert wurde sie dafür nur gering, doch sie stand finanziell gesichert da. Sie wohnte in Fremantles besserer Wohngegend in einem Haus in der Phillimore Street, das sie von ihrem Anteil aus dem Verkauf der ›Star of the Sea‹-Perlen gekauft hatte; auch Hamishs Schulgeld wurde davon bezahlt. Sie mochte sich lieber nicht ausmalen, wie ihr Leben jetzt aussähe, wenn sie diesen sagenhaften Perlenfund nicht gemacht hätten. Sie ließ sich ihre Hälfte des Erlöses ausbezahlen und bot Tyndall an, ihren Anteil am Unternehmen zu verringern, da sie nun weniger mitarbeitete, doch Tyndall wollte davon nichts wissen und beharrte auf ihrer Teilhaberschaft von fünfzig Prozent.
     
    Für Tyndall schleppten sich die Tage in einem gefühlsleeren Dunkel dahin, das sich zu einer Unendlichkeit vor ihm auszudehnen schien. Er träumte davon, daß er eines Tages wieder in helles Licht hinaustreten würde, daß Amy abgereist wäre und eine lächelnde Olivia ihre Stelle eingenommen hätte. Er hatte keine Ahnung, wie er diesen Traum verwirklichen könnte, denn der Kampfgeist hatte ihn verlassen. Also ertrug er die sich hinziehenden Stunden und klammerte sich an die verzweifelte Hoffnung, das Schicksal würde zu seinen Gunsten eingreifen.
     
    Das Mädchenheim wurde mit einer schlichten Feier eröffnet, um die Olivia allerdings ein großes Geheimnis gemacht hatte. Sie hatte mehrere wichtige Persönlichkeiten der Stadt zu einem Tee im kleinen Kreis eingeladen. Im Rahmen dieser Feierlichkeiten sollte die einfache Plakette neben der Eingangstür enthüllt werden.
    Olivia zog Gilbert nervös an ihre Seite und hielt ihre Ansprache. »Dr. Shaw … Gilbert … da Sie ohnehin die meisten Entscheidungen mir überlassen haben, habe ich mir die Freiheit erlaubt, eine Entscheidung ganz ohne Ihren Rat zu treffen.« Verwirrt hob er die Augenbrauen, als sie fortfuhr: »Wir mußten unserem Mädchenheim ja einen Namen geben, und in der Zeit, in der ich hier gearbeitet und mich mit allen möglichen Personen in Fremantle unterhalten habe, war ich sehr beeindruckt vom Respekt und der Achtung, die Ihnen alle entgegenbringen. Sie sind ein großartiger Mensch, Gilbert, deshalb haben wir beschlossen, dieses Heim
Shaw House
zu nennen … wenn Sie damit einverstanden sind?« Sie lächelte ihn an, mit leichter Besorgnis, er würde sich möglicherweise dagegen verwahren.
    »Einverstanden? Olivia, ich bin überwältigt. Und sehr gerührt. Ich habe diese Einrichtung nicht geplant, um mir damit ein Denkmal zu setzen, aber ich freue mich sehr darüber, wenn andere meine Arbeit schätzen. Das ist wirklich eine wunderbare Geste.« Er beugte sich vor und küßte sie auf die Wange. »Noch nie hat mir jemand eine so liebenswerte Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. Ich danke Ihnen«, fügte er leise hinzu.
    Als er ihr diesmal in die Augen blickte, entdeckte sie darin eine Wärme und Gefühlstiefe, die sie noch nie an ihm wahrgenommen hatte, und sie wußte plötzlich, daß dieses Leuchten allein für sie bestimmt war.
    Amy fühlte sich frustriert und leicht gelangweilt. Tyndall hatte sich keinen Deut erweichen lassen und war so entschlossen wie eh und je, ihre Ehe zu beenden. Es fuchste sie, daß ihr ganzes Aufgebot an weiblichem Charme an ihm abprallte. Sie hatte versucht, ihn zu bezirzen, mit ihm zu flirten, ihn zu verführen – alles umsonst. Schlimmer als seine Abweisung war, daß er sie der Lächerlichkeit preisgab. Es war ihm auch gelungen, ihre Ausgaben zu drosseln, weil er sich einfach geweigert hatte, für ihre Rechnungen in der Stadt aufzukommen, sie konnte nicht länger auf seinen Namen einkaufen. Bei
Streeter & Male's
, dem großen Warenhaus, wies man solche Bitten höflich ab und verlangte, den Kapitän persönlich zu sehen, damit er die Bestellung bestätigte. Amys Charme nutzte sich ab, Tyndall hatte bei den Ladenbesitzern zähe Überzeugungsarbeit geleistet, damit sie Amys Kaufrausch nicht weiter unterstützten.
    Amy hatte bereits drei Garnituren von Dienstboten verschlissen. Rosminah, die nun mit Olivias Boy Yusef verheiratet war, blieb in Tyndalls Haus. Minnie und Alf wohnten in Olivias altem Haus, um das sie sich

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