Tränen des Mondes
Lorbeerbäume und Mangroven ausmachen, in deren Schutz sich die Uferschuppen hinzogen. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Als die Leinen losgeworfen wurden, hatte sie einen wahnsinnigen Augenblick lang gewünscht, er wäre zu ihr geeilt, aber er hatte es nicht getan.
Auch John Tyndall kamen im Schatten der Kaimauern die Tränen.
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Siebzehntes Kapitel
Z wei Jahre vergingen, ohne daß sich die Lage verbessert hätte. Amy gab keinen Fingerbreit nach und wich nicht vom Fleck. Tyndall kam mit seinem Kampf um die Scheidung nicht vorwärts.
Olivia blieb ihrem Entschluß eisern treu und unterhielt keinen Kontakt zu Tyndall, ausgenommen auf rein geschäftlicher Ebene. Sie prüfte die jetzt von einem Verwandten Tobias Mettas geführten Bücher und verhandelte in Perth mit Monsieur Barat. Die Perlen und Hauptbücher wurden ihr als Einschreibsendungen zugeschickt, und am Ende der letzten Saison war Ahmed nach Fremantle gekommen, um ihr die Perlen persönlich auszuhändigen.
Diese Regelung war zwar nicht ideal, und Olivia vermißte das aufregende Schauspiel, die Perlen unter Tobys geschickten Händen zu schimmerndem Leben erwachen zu sehen, doch zumindest funktionierte der Austausch. Olivia freute sich über Ahmeds Besuch, der ihr das Neueste von ihren Freunden und dem Leben in Broome berichtete. Sie fragte nicht nach Amy, doch aus den Andeutungen, die Ahmed fallenließ, konnte sie schließen, daß Tyndalls Situation unverändert geblieben war. Auf die ganz persönlichen Fragen, die sie gern gestellt hätte, hätte Ahmed ohnehin keine Antwort gehabt.
Olivia wußte nicht, ob sie den knappen Bemerkungen Glauben schenken durfte, die Tyndall in die Geschäftskorrespondenz einfließen ließ. So las sie den Satz: »Mein Problem ist nach wie vor schwierig und ungelöst, aber ich werde nicht aufgeben.«
Anfangs hatte Amy die Stadt gespalten. Die Hootens gaben für sie eines Nachmittags eine kleine Teegesellschaft, auf der sich Amy ausführlich darüber ausließ, wie sie und ihr Mann einander ›verloren‹ hatten, und welche Freude es war, durch den aufsehenerregenden Fund der ›Star of the Sea‹-Perlen wieder vereint zu sein. Die meisten nahmen ihr ihre überschwengliche Liebe zu ihrem Gatten nicht ganz ab, enthielten sich aber jeden Kommentars. Es kursierten bereits Gerüchte, die Beziehung zwischen Tyndall und Amy enthielte einiges an Sprengstoff.
Trotzdem gelang es Amy, mit ihren Reizen und ihrer Koketterie nicht wenige Gäste für sich einzunehmen.
»Prächtiges kleines Weibchen, was?« bemerkte der Friedensrichter. »Wenn sie mir gehörte, würde ich sie nicht ›verlieren‹.«
»Seltsame Geschichte, daß sie ausgerechnet am Abend vor der Hochzeit aufgetaucht ist. Ich habe die arme Olivia sehr bedauert«, sagte Major White.
»Das war wohl nur als Zweckheirat gedacht, aus geschäftlichen Gründen. In Perth wird Mrs. Hennessy zweifellos schnell einen neuen Verehrer finden.«
Auch den Damen tat Olivia leid. Diese Peinlichkeit!
»Ich würde auch nicht hierbleiben und als Ausschußware im Regal verstauben wollen«, lautete die allgemeine Meinung.
»Tyndall ist schon ein guter Fang. Attraktiver Bursche. Aber ich wette, seine Frau heizt ihm ganz schön ein.«
»Stimmt es, daß sie in getrennten Häusern leben?«
»Die haben sicher Besuchszeiten«, kicherte eine der Damen. »Ich hoffe, er behält sie im Auge. Diesem Weibsstück würde ich nicht über den Weg trauen, wenn mein Mann in ihre Nähe käme.«
»Sie meinen sicher, Sie würden Ihrem eigenen Mann nicht über den Weg trauen …«, kam sofort die Retourkutsche.
Niemand wußte von der großen Liebe, die so heftig zwischen Tyndall und Olivia entbrannt war, und von ihrem Leiden in den letzten beiden Jahren.
Olivia hatte monatelang gebraucht, um sich in Fremantle einzugewöhnen und sich damit abzufinden, daß sie Tyndall verloren hatte, seinen Verrat betrachtete sie als den Tod ihrer Beziehung. Hamish hatte sich rasch eingelebt und fühlte sich auf dem King's College wohl, wo er gute Freunde gefunden hatte.
Die Arbeit für das Perlenunternehmen, die ihre Tage ausgefüllt hatte, fehlte Olivia schrecklich und sie mußte sich nach einer neuen Aufgabe umsehen, der sie ihre Zeit und ihre Energie widmen konnte.
Über Freunde von Monsieur Barat war man mit der Frage an sie herangetreten, ob sie nicht ehrenamtlich in einer Klinik arbeiten wolle. Dort lernte sie einen gewissen Dr. Gilbert Shaw kennen, der sich gerade mit Plänen trug, ein Heim für
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