Tränen des Mondes
wünsche Ihnen beiden für Ihre Bemühungen alles Gute.«
Nach einem einfachen, herzhaften Mahl mit Gemüse aus den Klostergärten führte ein Mönch sie durch das Kloster und seine weitläufigen Anlagen.
Nachdem Gilbert und Olivia in den Zug gestiegen waren, der sie zurück nach Perth brachte, tauschten sie die Eindrücke aus, die New Norcia und die Ratschläge von Pater Torres bei ihnen hinterlassen hatten.
»Dann halten wir also an unserem Plan, ein Mädchenheim zu führen, weiter fest?«
»Natürlich, Gilbert. Das heißt, wenn Sie immer noch dazu bereit sind. Auch wenn das Ganze recht bescheiden ist, ist es für uns doch ein großes Unternehmen, und dann haben Sie ja auch noch Ihre Arztpraxis.«
»Deshalb bin ich auf Sie angewiesen, Olivia, ich muß mich darauf verlassen, daß Sie die praktischen Dinge in die Hand nehmen. Anscheinend denken und empfinden wir dasselbe, was dieses Projekt angeht; vielleicht hat Gott uns deshalb zusammengeführt.«
»Ich möchte sehr gern helfen. Nicht nur, damit ich eine Beschäftigung habe. Vielmehr treibt mich ein starkes Bedürfnis dazu, etwas für diese Mädchen zu tun. Am liebsten wäre mir ein Ort, an dem die Mädchen vor allem liebevolle Zuwendung erfahren könnten, ohne daß Religion und Ausbildung dabei zu stark betont werden. Kinder brauchen ein Zuhause, wo sie sich geliebt und geborgen fühlen können.«
»Olivia, es sieht ganz danach aus, als hätten Sie schon eine neue Laufbahn eingeschlagen.«
»Ich werde natürlich meine Teilhaberschaft an der
Star of the Sea Pearl Company
behalten. Das kostet mich nicht viel Zeit, und ich will die Verbindung nicht verlieren«, sagte sie leise.
»Bevor Sie ein neues Leben anfangen können, müssen Sie das alte loslassen.«
Er sagte das ganz behutsam, und Olivia lächelte den gütigen Mann neben ihr voller Zuneigung an. Obwohl er älter war als Conrad, erinnerte er sie auf manche Weise an ihn, er war ein bißchen konservativ, respektvoll und sanftmütig. Auch sie hatte tiefen Respekt vor diesem herzensguten Menschen, der sein Leben der Fürsorge für andere widmete.
Nach ihrer Ankunft in Perth fuhren Olivia und Gilbert Shaw nach Fremantle weiter und sahen sich das Haus in der Cantonment Street noch einmal an. Das Steingebäude mit seiner großen Eingangshalle und den beiden Gebäudeflügeln links und rechts vom Haupteingang war zum Teil durch hohe Bäume von der Straße abgeschirmt.
»Meinen Sie, wir sollten eine Mauer, einen Zaun errichten?«
Olivia schüttelte den Kopf. »Das würde die Mädchen zu sehr einschüchtern. Ich möchte, daß sie das Gefühl haben, sie könnten einfach hereinkommen und zu unserer Familie gehören.«
»Hmm. Vielleicht brauchen wir ein paar Laternen draußen und im Garten, damit das Gebäude einladender wirkt.«
Sie gingen in das Haus, das ihre Wohltäterin, ein reiches altes Fräulein, gestiftet hatte, und besahen sich die Umbauten, die so gut wie abgeschlossen waren. Mehrere Räume waren zu einem Schlafsaal zusammengelegt worden, im Eßzimmer gab es jetzt mehrere kleine Tische, die Empfangsräume waren zu behaglichen Aufenthaltsräumen umgestaltet. Im oberen Stockwerk war für Dr. Shaw ein Arztzimmer eingerichtet, für Olivia ein Büro. Tagsüber waren eine Krankenschwester, eine Köchin und eine Reinigungskraft im Dienst. Eine Haushälterin und ihr Mann wohnten im Haus.
»Das Wichtigste ist jetzt, daß wir unser Haus in den richtigen Kreisen bekannt machen«, sagte Olivia.
»Sie wollen wohl durch die Straßen laufen, alle schäbigen Hotels und Spelunken aufsuchen und den Leuten von uns erzählen«, sagte Gilbert mit einem ungläubigen Lächeln.
»Jetzt kommen Sie schon, Gilbert. Sie müssen öfter aus Ihrer muffigen Praxis ausbrechen.«
»Wir sind hier nicht in Broome, Olivia.«
»Dann begleiten Sie mich einfach. Nicht als Beschützer, sondern damit Sie eine Ahnung bekommen, was in den Straßen passiert.« Das war für Gilbert eine Herausforderung. Wenn er sie nicht annähme, würde er als Mann in Olivias Achtung ein wenig sinken, das wußte er genau. Dieser Gedanke hatte ihm schon oft zu schaffen gemacht. Er war Olivias ergebener Bewunderer und liebte sie auf seine zurückhaltende Weise. Aber da er die Wunde kannte, die Tyndall ihrem Herzen, ihrer Selbstachtung und ihrer Persönlichkeit zugefügt hatte, scheute er sich, ihr seine Gefühle in ihrer ganzen Tiefe zu zeigen. Er spürte, daß Olivia ihm deshalb wenig männlichen Schneid und emotionalen Tiefgang zutraute.
»Ich bin
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