Tränen des Mondes
um die Lektüre zu genießen.
Hamish erklärte, der Brief sei ›illegal‹, weil er ihn nämlich, um der Zensur zu entgehen, einem Freund mitgegeben habe, der ihn weiterbefördern sollte. Er erzählte von den vielen Freundschaften, die er geschlossen, von den denkwürdigen Orten und Menschen, die er gesehen habe, und schrieb ihr, wie er sie alle zu Hause vermisse …
… vor allem dich, liebste Mammi. Die Überfahrt war hart, besonders für die Pferde … wir haben zwischen Australien und Bombay neunundsiebzig Tiere durch Krankheit und Erschöpfung verloren. Wir wurden nach Colombo zurückgerufen und kehrten dann nach Bombay zurück, um den Rest der Pferde an Land zu bringen, damit sie nicht auch noch verendeten, denn wir brauchen sie für Transportarbeiten. Dann wurden wir zu den Dardanellen abkommandiert, wo wir die Landung des 9. Armeekorps in der Suvla-Bucht vorbereiten sollen. Aber wir hatten keine Schlepper oder Leichter zum Entladen, deshalb baute unsere Einheit Flöße aus Bauholz, um Männer, Vorräte, Gepäck und Ausrüstung an Land zu schaffen. Wir hatten schon alles aufgeladen und waren fahrbereit, als die Meldung kam, jemand hätte für uns einen winzigen Dampfer aufgetrieben, die Itria , was bedeutete: wieder abladen, die Flöße auseinandernehmen und das Ganze auf den Dampfer verfrachten. Am Ufer erhielten wir dann im Schnellverfahren unsere einzige Ausbildung im Bau von Pontonbrücken und Pieren und so weiter – fünf Tage harter Drill, das kannst du mir glauben! Jetzt haben wir die Pontons und alles auf die Itria geschafft und können endlich zur ›eigentlichen‹ Landung übergehen. So ein Zirkus! Aber wie unser befehlshabender Offizier sagte, wir weigern uns, als Versager abgestempelt zu werden!
Am 7. August ankerte die
Itria
vor dem für einen Angriff in Betracht gezogenen Strand mit dem Befehl, eine Stelle ausfindig zu machen, die für einen Pier geeignet wäre. In der Dämmerung sollte Hamish mit einem ersten Kommando an Land gehen und aus Fässern und Bauholz einen Landesteg errichten. Sie arbeiteten 48 Stunden ohne Unterbrechung, unter ständigem Artilleriebeschuß und im Schrapnellfeuer, und wurden sogar einmal von einem Taube-Flugzeug bombardiert. Der Ankerplatz wurde für zu gefährlich erklärt und verlagert.
Dann kam Hamish zu einer Einheit, die mithalf, die Truppen und ihre Vorräte an Land zu bringen. Man hatte nicht an die Wasserversorgung gedacht, Tausende Soldaten litten Durst.
»Genauso schlimm, wie wenn man sich in der Wüste verirrt«, brummte einer der Männer zu Hamish.
Am 12. August bekamen die ›Leute vom Troß‹ zu ihren anderen Aufgaben auch noch den Auftrag, Wasser für die Truppen zu beschaffen. Hamish versuchte, das sporadische Feuer, das vom Hügelkamm auf sie abgegeben wurde, zu ignorieren, während sie in fieberhafter Hast nicht benötigte Pontons im Sand vergruben, die als Wassertanks benutzt wurden und von den Leichtern aus mit Pumpen und Schläuchen, die von den Schiffen geliehen waren, aufgefüllt wurden. Von den Soldaten, die nicht im Kampf fielen oder schwer verwundet wurden, starben viele an Krankheiten wie Paratyphus, Gelbsucht, Lungenentzündung und Blutvergiftung, die von Fliegen und Schmutz selbst auf kleineren Wunden hervorgerufen wurden.
Während Hamish am Fuß der Hügelkette arbeitete und einen Pfosten eingrub, an dem ein Seil befestigt werden sollte, wurde ein Soldat, der den Abhang ein Stück hinaufgeklettert war, erschossen. Seine Leiche rollte herunter und blieb in Hamishs Nähe liegen. Voller Wut und Verbitterung und ohne eine Sekunde zu überlegen, packte Hamish das Gewehr des Soldaten und kroch den Abhang hoch. Er lag einige Minuten hinter einem Felsbrocken auf der Lauer, bis er eine Bewegung wahrnahm. Er gab einen Schuß ab, dann noch einen, erkannte, daß er den Heckenschützen erwischt hatte, und robbte mit ungeheuren Triumphgefühlen zu seinen Pflichten zurück.
»Ihr Marineleute seid nicht zum Kämpfen abgestellt«, bellte ihn ein Armeeoffizier an, der geduckt an ihm vorbeilief und noch hinzusetzte: »War übrigens ein verdammt guter Schuß.«
Hamish war sehr zufrieden mit sich, grinste seinen Kumpel an, der ihm den hochgereckten Daumen entgegenstreckte, und watete auf ihren Leichter zu, der weitere Ausrüstung für sie gebracht hatte. Er wollte schon an Bord klettern, als ihn ein schneidender Schmerz durchfuhr, ein sengend heißes Brennen im Rücken. Er schrie auf, als die Welt schwarz um ihn wurde und er ins blutige
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