Tränen des Mondes
und Überfälle. »Wir werden sehen«, meinte er und streichelte den Kopf des Babys. »Ein wirklich hübsches Kind, Olivia.«
Sie tauschten das erste entspannte Lächeln seit langem. »Nimm ihn in den Arm, Conrad. Er wird nicht gleich zerbrechen.«
Nach ihrer kleinen Mahlzeit wanderte Olivia wieder an den Strand. Sie wollte die Fischgräten ins Wasser werfen und nach Muscheln suchen. Conrad blieb im Lager und spielte mit seinem Sohn. Er nahm ihn auf den Schoß und betrachtete seine kleinen Finger und seine winzigen Zehen. Plötzlich fiel ein Schatten über ihn. Als er aufblickte, sah er drei Aboriginefrauen vor sich stehen, die ihn anstarrten. Es schien sie zu erstaunen, daß der Mann das Baby wiegte. Sie gingen vor ihm in die Hocke und beugten sich vor, um das Baby zu berühren. Dann deuteten sie auf Conrads Gesicht und begannen, in ihrer eigenen Sprache zu schnattern. Conrad fühlte sich unwohl bei dem Gedanken, daß sie über ihn redeten. Er versuchte es mit einem Lächeln, das mit einem lauten Gelächter ihrerseits quittiert wurde. Er war froh, als Olivia endlich auftauchte.
Sie nahm das Baby und reichte es den Frauen. Die nickten befriedigt, lächelten und tätschelten seinen runden Bauch.
Conrad versuchte, nicht auf ihre schaukelnden Brüste oder ihren spärlichen Lendenschurz zu blicken, der kaum ihre Scham bedeckte. Einige Frauen trugen gewebte Binden um die Arme, doch im großen und ganzen waren alle ungeschmückt und nackt. Conrad erkannte, daß sie es nur gut meinten. Er tätschelte den Kopf seines Sohnes, deutete auf Olivia und sagte dann ganz langsam und mit Nachdruck: »Ich danke euch!«
Die Frauen kicherten, und Olivia legte Conrads Hand in die der ältesten Frau, die bei der Geburt die Hebamme gespielt hatte. Diese verstand die Bedeutung der Geste und nickte würdevoll. Dann nahmen die Frauen ihre Netze und Beutel auf und zogen an den Strand, um die Fischfalle zu leeren.
Conrad sah ihnen interessiert zu. »Geniale Idee, diese Mauer«, bemerkte er. »Meinst du, wir können ihnen klarmachen, daß wir frisches Wasser brauchen?«
Das Baby begann zu weinen, und Olivia nahm es an die Brust. Während sie ihr Leibchen löste, sagte sie: »Nimm die leere Tonne und zeig ihnen, wie wenig Wasser wir noch haben. Ich bin sicher, sie werden verstehen, was wir wollen. Ihr Lager kann nicht sehr weit sein.«
»Gut, das werde ich machen.« Conrad wandte verlegen den Blick von Olivias entblößter Brust, griff sich die Wassertonne und zog damit zu den Frauen.
Das Baby nuckelte zufrieden. Olivia schloß einen Moment lang die Augen. Als sie das Kind an die andere Brust legte, hörte sie Schritte hinter sich und wandte den Kopf, in der Erwartung, Conrad zu sehen, der mit dem Wasser zurückkam. Statt dessen blickte sie auf die kräftige Gestalt von Kapitän John Tyndall, dem Mann mit dem Schoner.
Er hüstelte diskret, und sie bedeckte sich.
»Entschuldigen Sie bitte«, begann er verlegen. »Ich sah den Rauch und schloß daraus, daß Sie noch hier sind. Also kam ich, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist.« Er blickte auf Olivia herab, wie sie da mit dem Baby an der Brust auf dem Boden saß. Unter dem nunmehr zerrissenen Unterrock lugten nackte Zehen hervor, und das Haar fiel ihr weich um das hübsche Gesicht. Trotz ihres etwas verwahrlosten Zustands bot sie einen herzerwärmenden Anblick. »Ich sehe schon, Sie kommen gut zurecht. Herzlichen Glückwunsch. Wie haben Sie die Geburt alleine geschafft?«
Sie brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Ich hatte Hilfe. Die Aboriginefrauen waren wunderbar … Sie erschienen wie aus dem Nichts, um mir zu helfen.«
Er nickte, erwähnte aber nicht, daß er mit den Stammesältesten gesprochen hatte. »Und Ihr Gatte? Gibt es Neuigkeiten?«
»Er kam heute nachmittag zurück. Jetzt holt er mit den Frauen Wasser.«
Tyndall blickte sich um und entdeckte den Wagen im Sand. »Ein Wunder, daß er es geschafft hat. Das Gebiet soll sehr unwegsam sein.«
»Das stimmt. Er meinte, die Rückreise würde beschwerlich werden. Und bei seiner Ankunft hat er auf die Aborigines geschossen. Ein unglückliches Mißverständnis.«
»Hat er jemanden verwundet oder getötet?« Tyndall sah besorgt aus. »Das könnte ihm einen Speerstoß durchs Bein oder Übleres einbringen. Vergeltungsschläge sind bei ihnen die übliche Reaktion.«
»Um Gottes Willen, nein! Niemand wurde verletzt. Glauben Sie, es ist ihm etwas passiert?« Olivia blickte ängstlich in Richtung Strand.
»Ich werde mal
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