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Traenenengel

Traenenengel

Titel: Traenenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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goldene Kette hing, die um den Hals führte, bis zur Nasenspitze geschoben und blätterte
     in einer Fachzeitschrift.
    Patrick Felber war untersetzt. Als Sälzer ihn sah, musste er im ersten Moment an Napoleon denken. Ein Napoleon nach der Schlacht
     bei Waterloo. Sein Gesicht war rund, fast noch kindlich. Im Gegensatz zu seinem Vater hatte er kleine, dunkle Augen. Sie wirkten
     auf dem weichen Gesicht wie versunkene Knöpfe. Die Haare waren kirschrot gefärbt, an den Schläfen und dem Haaransatz kam das
     natürliche Dunkelbraun bereits wieder zum Vorschein.
    »Weißt du, warum ich hier bin?«, fragte Sälzer.
    Patrick zuckte mit den Schultern.
    Sälzer trommelte mit den Fingern der rechten Hand an den Rand der Tischplatte. »Okay. Versuchen wir es anders. Klassisch.
     Wo warst du letzten Mittwochabend?«
    »Mittwoch?« Patrick richtete sich etwas auf. »Wieso Mittwoch? Ist das wegen Flora?«
    »Du kennst sie?«
    »Jeder kennt die. Auf jeden Fall jeder an dieserSchule. Und ein Haufen andere sicher auch. Na ja, jetzt auf jeden Fall, nach der Sache am See   ...«
    »Du hast davon gehört?«
    Patrick zögerte kurz. »Stand doch in der Zeitung. Außerdem reden alle nur noch davon.«
    »In der Schule?«
    »Überall. Mann, gehen Sie nie unter Leute? Die ganze Stadt kennt nur das eine Thema.«
    »Zurück zu Mittwoch. Was hast du gemacht?«
    Patrick presste die Lippen aufeinander. Er sah zum Fenster. »Weiß nicht. Ferngesehen?«
    »Das hat uns dein Vater auch erzählt.« Sälzer ließ Patrick keine Sekunde aus den Augen.
    »Sie waren bei meinem Vater? Wieso das denn?« Patrick hatte sich vom Tisch abgestoßen, als wolle er ein paar Schritte machen,
     überlegte es sich dann aber anders.
    Frau Dr.   Kreisler sah kurz auf, leckte den Zeigefinger an und blätterte eine Seite in ihrer Fachzeitschrift um.
    »Wir wollten eigentlich zu dir. Du warst nicht da. Also haben wir uns kurz mit deinem Vater unterhalten.«
    Patrick nickte mehrmals hintereinander, wobei er zu Boden starrte. »Wenn mein Vater sagt, ich habe Mittwochabend ferngesehen,
     wird's wohl stimmen. Sonst noch was?«
    Sälzer kratzte sich am Nacken, wodurch sein Basecap ein Stück nach vorne rutschte. Er zog es zurück.»Noch 'ne ganze Menge, fürchte ich.« Er lehnte sich vor und sagte leise: »Du hast am Mittwochabend nicht vor dem Fernseher
     gesessen.«
    Patrick starrte Sälzer ausdruckslos an. »Hab ich nicht?«
    »Du warst am See. Jemand hat dich gesehen. Wir haben eine Zeugin, die bestätigt, dass du am Mittwochabend mit deinem Liegerad
     an ihr vorbeigefahren bist.« Sälzer konnte förmlich sehen, wie die Gedanken in Patricks Gehirn wie aufgescheuchte Ameisen
     durcheinanderliefen.
    »Vielleicht hat sie irgendeinen anderen mit einem Liegerad gesehen.« Patrick spielte hektisch mit einem Faden an der äußeren
     Hosennaht.
    »Die Sache ist die, Patrick: Im Moment vernehme ich dich vorrangig als möglichen Zeugen, nicht als möglichen Täter.« Es sei
     denn, das Blut an deinem Liegerad stammt von Flora Duve, fügte Sälzer stumm hinzu. »Wir wissen, dass du Mittwochabend am See
     warst. Je mehr Blödsinn du mir hier auftischst, desto verdächtiger machst du dich.« Sälzer sah Patrick fest in die Augen.
     »Also, was ist? Erzählst du mir, was du letzten Mittwochabend gemacht hast?«
    Der Stuhl in der letzten Reihe knarzte, als Frau Dr.   Kreisler sich aufrichtete, die Zeitschrift auf dem Tisch ablegte und zu Patrick sah.
    Patrick fuhr sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nase, verharrte so einen Moment. Die Sekunden verstrichen. Dann ließ
     er die Hand sinkenund hob den Kopf. »Okay. Ja. Ich war am Mittwoch am See.«
    »Alleine?«
    Patrick nickte. »Ich war angeln. Dazu braucht man niemanden. Deswegen mag ich es ja.«
    »Wann bist du losgefahren, wo genau hast du geangelt, wie lange, ich will alles wissen.«
    Patrick stemmte sich mit den Händen auf der Tischplatte ab, zog sich hoch und setzte sich auf den Tisch. Er starrte auf ein
     kleines Stück Kreide, das neben Sälzers rechtem Fuß lag, dann begann er: »Ich bin kurz nach acht zum See. Vielleicht auch
     Viertel nach acht. Als ich ankam, hatte Ella auf jeden Fall schon zu und die Badegäste waren weg. Auch die Penner, die da
     manchmal noch länger vor dem Kiosk rumhängen.«
    »Wie bist du zum See gekommen?«
    »Mit dem Liegerad. Wissen Sie doch schon. Ich bin den Feldweg lang. Er führt von unserem Haus direkt zum See. Vom Feldweg
     aus habe ich noch ein Stück geschoben. Zu der Stelle, wo

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