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Traenenengel

Traenenengel

Titel: Traenenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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ich meistens angle, gibt es keinen richtigen Weg. Da ist alles total
     zugewuchert. Ich habe das Rad nach ein paar Metern einfach stehen lassen und bin den Rest gegangen.«
    »Wo ist deine Angelstelle genau?«
    »In dieser kleinen Bucht mit der großen Weide, ziemlich genau am gegenüberliegenden Ufer vom Badestrand. Da ist so ein alter
     Bootssteg, schon 'nbisschen morsch. Den benutzt seit Jahren keiner mehr. Außer ich eben. Liegt richtig geschützt im Schilf und sieht man kaum,
     wenn man nicht weiß, dass er da ist. Na ja, und da habe ich dann eben geangelt.«
    »Was gefangen?«
    »Einen Karpfen.«
    »Wer war noch am See?«
    »Zunächst war da niemand.« Patrick hielt einen Moment inne. »Ich mag das, wenn der See abends ganz still daliegt.« Er räusperte
     sich. »Ich weiß nicht mehr genau, wie lange ich schon da gesessen habe, aber es können eigentlich nur ein paar Minuten gewesen
     sein, da kamen zwei Radfahrer. Drüben am Badestrand. Sie haben die Räder hingelegt und sich ans Ufer gesetzt. Obwohl das andere
     Ufer ein gutes Stück weg ist und es langsam dunkel wurde, habe ich sie sofort erkannt.« Patrick machte ein Geräusch, das wie
     eine Mischung aus Lachen und Ächzen klang. »Das Traumpaar der Schule.«
    Sälzer runzelte die Stirn. »Flora und dieser   ... Andreas?«
    »Andro«, verbesserte ihn Patrick. »Andro Petric.«
    »Flora Duve war nicht alleine am See?«
    »Hab ich doch grad gesagt. Sagen Sie bloß, das wussten Sie noch nicht?«
    Sälzer ignorierte die Frage. »Weiter.«
    Patrick verzog kurz den Mund. »Die beiden saßen also drüben am Ufer. Haben erst mal nur geredet,soweit ich das erkennen konnte. Auf jeden Fall passierte eine ganze Weile nichts Spannendes. Aber dann wurde Flora immer lauter.
     Ich habe zwar nicht verstanden, was sie da schrie, aber dass sie schrie, konnte ich auch am anderen Ufer hören. Ich hatte
     schon Angst, sie würde mir die Fische vertreiben. Dann stand sie auf, fuchtelte mit den Armen. Keine Ahnung, was da los war,
     aber es sah echt wild aus. Andro hat versucht, sie wieder nach unten zu ziehen.«
    »Ein Streit.«
    »Sah zumindest so aus. Wie gesagt, ich habe kein Wort verstanden. Irgendwann ist Andro auch aufgestanden und wollte Flora
     umarmen. Sie hat ihn aber weggestoßen. Er ist beinahe hingeknallt. Mann, war die wütend. So habe ich sie noch nie gesehen.
     Dann hat er sein Fahrrad genommen und ist einfach abgehauen. Hat seine Freundin alleine sitzen lassen.«
    »Wann war das?«
    Patrick überlegte kurz. »Gegen neun vielleicht.«
    »Erzähl weiter. Andro ist also weggefahren. Wohin?«
    »Woher soll ich das wissen? Er hat sich aufs Rad geschwungen und ist dann auf dem Radweg Richtung Stadt verschwunden. Ohne
     sich auch nur noch einmal nach ihr umzudrehen.«
    »Und dann?«
    »Flora stand alleine da. Einen Moment sah esaus, als wüsste sie nicht, was sie tun sollte. Als wollte sie Andro vielleicht hinterherfahren. Aber dann hat sie sich ganz
     nah ans Ufer gesetzt, direkt neben diese hässliche Krötenkunst. Sie hat sich irgendwie so zusammengekauert, Sie wissen schon,
     so mit beiden Armen um die angezogenen Knie, wie Mädchen das manchmal machen. Ich habe noch eine Weile gewartet, ob irgendetwas
     passiert, ob Andro zurückkommt. Oder ob Flora baden geht, na ja, irgend so etwas.« Patricks Knopfaugen bekamen einen roten
     Rand. »Aber gar nichts passierte. Sie saß einfach nur da und starrte auf das Wasser. Wahrscheinlich tat ihr der Streit leid
     und sie war traurig. Aber von so etwas habe ich echt keine Ahnung. Ich hab dann irgendwann zusammengepackt, bin zurück zu
     meinem Liegerad und nach Hause.«
    »Und du hast nicht daran gedacht, rüber zu Flora zu fahren? Immerhin kanntest du sie. Sie saß da alleine am See, in der Dunkelheit,
     nach einem Streit mit ihrem Freund.«
    »Na ja, klar kenne ich Flora, aber doch nicht so. Sie   ... Sie ist kein Mädchen, zu dem man einfach so hingeht«, sagte Patrick. Seine Stimme klang, als wäre sie in eine Streichholzschachtel
     gepresst. »Glauben Sie mir, die hätte sich ganz sicher nicht gefreut, in dem Moment mein Gesicht zu sehen. Das Letzte, was
     sie braucht, ist Hilfe von einem Typen wie mir.«
    Sälzer blies kurz die Backen auf. »Sieht so aus, als hätte sie an dem Abend sehr gut Hilfe gebrauchen können.«
    Patrick schloss einen Moment die Augen. Er schluckte. »Da kommt doch kein Mensch drauf«, sagte er, wobei er den Mund kaum
     öffnete. »Dass an unserem verpennten Telpener Tümpel ein entflohener

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