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Traenenengel

Traenenengel

Titel: Traenenengel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Gehm
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Alibi?
    F: Vielleicht hast du ja Glück und bist in der Nacht geblitzt worden. Danke, Hagen. Das waren vorerst alle Fragen.
    ***
    Leif Sälzer wollte gerade auf den Klingelknopf unter dem Schild mit der Aufschrift »Garthoff« drücken, als sein Handy läutete.
    Er nahm ab und ging zurück in den Hauseingang. »Ja?«
    »Sie haben ihn«, rief Masaryk am anderen Ende der Leitung.
    »Den Täter?«
    »Zinke. Er wurde heute Morgen in Haaksbergen aufgegriffen.«
    »Wo ist das denn?«
    »In Holland, nahe der deutschen Grenze. Also über 500   Kilometer entfernt von Telpen. Er hat Telpen noch in der Nacht des Ausbruchs verlassen. Als Flora am See überfallen wurde,
     saß er aller Wahrscheinlichkeit nach schon im Auto gen Westen.«
    Sälzer fuhr sich mit der Zunge über die Backenzähne und starrte auf die Briefkästen im Hausflur.
    »Sind Sie noch dran?«
    »Ja.« Obwohl Sälzer immer Zweifel daran gehabt hatte, dass Silvio Zinke der Täter war, spürte er jetzt keine Genugtuung. Ihm
     wurde klar, dass Zinke die einfachste Lösung gewesen wäre. Ein bereits verurteilter Schwerverbrecher, Mörder, Vergewaltiger,
     schlägt erneut zu. Es würde zu dem Schreckensbild passen, das die Medien seit dem Vorfall am See verbreiteten. Ein Messerstecher,
     ein Schlächter, ein Monster – keiner von ihnen. Keiner aus Telpen. Unddoch sah es jetzt danach aus. Sälzer war sich zunehmend sicher, dass sie den Täter in Floras Umfeld suchen mussten. Und finden
     würden.
    »Zinke können wir also von der Liste streichen.« Sälzer kratzte sich im Nacken und sein Basecap rutschte etwas nach vorne.
     Er konnte sich die Schlagzeilen in der Lokalpresse bestens vorstellen:
Schwerverbrecher gefasst

der Messerstecher ist noch unter uns! Schlägt der Schlächter wieder zu?
    »Was ist mit dem Hund? Warst du schon in Kraldorf?«
    »Von da komme ich gerade. Ich habe mit Herrn Kaltenborn gesprochen, der Spaziergänger, der den Hund gefunden hat. Habe mir
     von ihm die Stelle zeigen lassen. Ist aber nicht viel dabei herausgekommen. Mittlerweile hat es mindestens zweimal geregnet.«
    »Also haben wir gar nichts?«
    »Doch. Sogar etwas sehr Interessantes. Herr Kaltenborn hat einen eindeutigen Verdacht: Wilbert Felber.«
    Sälzer klemmte das Handy zwischen Ohr und Schulter und suchte mit beiden Händen seine Jacke nach einer Salzstange ab. »Und,
     könnte an seinem Verdacht etwas dran sein?« Sälzer hatte ein vier Zentimeter langes Salzstangenbruchstück gefunden und klemmte
     es sich zwischen die Lippen.
    »Schwer zu sagen. Ich bin bei Felber vorbeigefahren und habe mit ihm geredet«, sagte Masaryk. »Derhat sich übrigens sehr gefreut, mich schon wieder zu sehen.«
    »Kann ich mir vorstellen. War Patrick da?«
    »Nein. Dafür Felbers älterer Sohn. Ganz der Papa. Nur einen halben Kopf größer.«
    »Was hat Felber zu der Geschichte mit dem Hund gesagt?«
    »Er weiß nichts von einem Hund. Vermisst auch keinen. Hat nichts gehört und nichts gesehen und nichts damit zu tun.«
    »Sonst kann er seinen Gnadenhof ja auch dichtmachen.«
    »Und jetzt?«
    »Ich rede noch mal mit dem Veterinärarzt. Wenn wir es bei dem Hund tatsächlich mit demselben Täter zu tun haben wie bei Flora
     Duve, müssen wir der Sache ernsthaft nachgehen und uns dahinterklemmen.« Ein Mädchen und ein Hund, entstellt an einem See
     – ergab das einen Sinn, ein Motiv? Sälzer hörte durch das Telefon eine Hupe, dann einen aufbrausenden Motor. »Wohin fährst
     du jetzt?«
    »Zu Walter Duve. Floras Opa«, erwiderte Masaryk.
    »Gut. Ich frag mal die Else Kling im Parterre bei den Duves, ob sie etwas mitbekommen hat.«
    »Else wer?«
    »Die alte Dame, die unter den Duves wohnt.«
    »Der Hausdrache.«
    »Genau. Bis später dann.« Sälzer steckte das Handyin die Tasche, ging zurück zur Wohnungstür im Erdgeschoss und klingelte bei Frau Garthoff.
    Hinter der Tür blieb alles ruhig. Die Wohnung war offenbar verlassen. Zur Sicherheit wollte Sälzer gerade ein zweites Mal
     auf den Klingelknopf drücken, als die Wohnungstür sich langsam einen Spalt öffnete.
    Sälzer legte den Kopf schief und versuchte, die Person hinter dem Spalt auszumachen. Wie an dem Abend, als sie Patrick Felber
     beinahe verhaftet hätten, erkannte er graue Haare und kleine, kalt blitzende Augen.
    Langsam ging die Tür auf. Frau Garthoff musterte den Besucher. Sie sah auf Sälzers abgetragene Jacke, sein unrasiertes Kinn,
     auf den Salzstangenstummel zwischen seinen Lippen und auf sein Basecap, auf dem heute

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